(Presse-)Mitteilung

Während die Bundesregierung mit dem Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) noch auf Freiwilligkeit setzte, schreiten andere Länder bereits mit gesetzlichen Regelungen oder Initiativen in dieser Richtung voran.

Frankreich hat bisher als einziges Land eine umfassende menschenrechtliche Sorgfaltspflicht für Unternehmen gesetzlich festgeschrieben und verbindet erstmalig in einem Gesetz Menschenrechte und Haftung. Das so genannte ‚Loi de Vigilance‘ trat im März 2017 in Kraft. Das Gesetz schreibt den 100 bis 150 größten Unternehmen Frankreichs umfassende Sorgfaltspflichten vor, unter anderem die Erstellung, Veröffentlichung und Umsetzung eines jährlichen Sorgfaltspflichtenplans, mit dem sie ökologische und menschenrechtliche Risiken identifizieren und verhindern sollen. Das Gesetz bezieht sich auf schwere Menschenrechtsbeeinträchtigungen. Unternehmen müssen sowohl die eigenen Tätigkeiten, als auch die Tätigkeiten von Tochter- und Subunternehmen sowie Zulieferern in den Sorgfaltspflichtenplan einbeziehen. Letztere allerdings nur dann, wenn mit dem Zulieferer eine etablierte Geschäftsbeziehung besteht und die menschenrechtlichen Probleme mit der Geschäftsbeziehung zusammenhängen. Wenn ein Unternehmen keinen oder keinen ausreichenden Sorgfaltspflichtenplan erstellt, kann dies richterlich angeordnet werden. Zudem können Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen verklagt werden. Dabei wird dem Unternehmen nicht das – ebenfalls vom Gericht zu prüfende – schuldhafte Verhalten ihrer Tochterfirmen, Subunternehmer oder Zulieferer zugerechnet, sondern sie haften dafür, dass sie ihre eigene bestehende Sorgfaltspflicht verletzt haben – allerdings nur dann, wenn der Kläger beweisen kann, dass es nicht zu einem Schaden gekommen wäre, wenn das Unternehmen seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen wäre.

Auch in Großbritannien gibt es eine gesetzliche Regelung zu menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten. Die Sektion 54 des 2015 in Kraft getretenen UK Modern Slavery Act gibt allerdings eine bloße Berichtspflicht vor. Ihm zufolge müssen die etwa 12.000 Unternehmen und Organisationen, die in Großbritannien Geschäfte betreiben und einen jährlichen Umsatz von mehr als 36 Millionen Pfund haben, jährlich offenlegen, welche Schritte sie unternommen haben, um gegen Menschenhandel und Sklaverei in ihrer Lieferkette vorzugehen. Die Unternehmen müssen dabei zwar die gesamte Lieferkette berücksichtigen, sind allerdings nicht verpflichtet, tatsächlich irgendetwas gegen Sklaverei und Menschenhandel in der Lieferkette zu tun. U. U. reicht die Angabe, überhaupt keine Schritte unternommen zu haben. Bisher sind viele Unternehmen der Berichtspflicht nicht nachgekommen. In diesem Fall könnte der High Court theoretisch eine einstweilige Verfügung und, falls das Unternehmen auch dieser nicht nachkommt, eine Geldstrafe verhängen, allerdings gibt es bisher keine Behörde, die die Umsetzung überwacht, Verstöße meldet und die Berichte systematisch bereitstellt. Deshalb hat das Business and Human Rights Resource Centre eine Webseite erstellt, auf der die Statements der Unternehmen gesammelt werden.

In den Niederlanden stimmte das niederländische Parlament im Februar 2017 dem „Wet zorgplicht kinderarbeid“, dem Gesetz zur Regelung von Sorgfaltspflichten bezogen auf Kinderarbeit, zu. Das Gesetz sieht vor, dass Unternehmen, die in den Niederlanden registriert sind oder dorthin liefern, ihre gesamte Lieferkette im Rahmen einer Due-Diligence-Prüfung auf Hinweise auf Kinderarbeit hin zu untersuchen haben. Finden Unternehmen entsprechende Hinweise, so müssen sie einen Aktionsplan entwickeln, um diese zu bekämpfen. Das Gesetz schließt auch ausländische Unternehmen ein, wenn diese in die Niederlande liefern. Allerdings muss die Prüfung nur einmal und nicht regelmäßig durchgeführt werden. Sollten jedoch trotz anderslautender Erklärung Beweise für Kinderarbeit in der Lieferkette eines Unternehmens gefunden und nicht innerhalb von sechs Monaten Maßnahmen ergriffen werden, kann ein Bußgeld von bis zu 820.000 Euro, in besonderen Fällen bis zu 10{479cc13b98f751dd1fd0fe24b0f36d84e9fe1f7ddc46dfdb35e33d8f72bfd8da} des Jahresumsatzes, verhängt werden. Sollte ein Unternehmen innerhalb eines Fünfjahreszeitraums zum zweiten Mal ein Bußgeld zahlen müssen, können Verantwortliche zu einer Haftstrafe von maximal sechs Monaten verurteilt werden. Auch etwa 40 Unternehmen, darunter Heineken und Nestlé Niederlande, unterstützen den Gesetzesvorschlag. Dennoch liegt die finale Entscheidung über das Gesetz seit Dezember 2017 auf Eis.

In der Schweiz startete im Oktober 2016 ein breites Bündnis aus inzwischen 85 NGOs die Konzernverantwortungsinitiative für eine Verfassungsänderung. Ihr Ziel ist es, eine Sorgfaltspflicht für schweizerische Unternehmen einzuführen, die sie zwingt, die Menschenrechte und internationalen Umweltstandards in den durch sie kontrollierten Unternehmen und Geschäftsbeziehungen umzusetzen. Für Schäden, die durch Verstöße gegen Menschenrechte und Umweltstandards entstehen, sollen die Unternehmen haftbar gemacht werden, wenn sie nicht beweisen, dass sie alle gebotene Sorgfalt angewendet haben oder dass der Schaden auch ohne Anwendung der Sorgfalt eingetreten wäre. Die Schweizer Regierung hat sich gegen eine Verfassungsänderung positioniert und die Erste Kammer des Schweizer Parlaments hat einen sogenannten indirekten Gegenvorschlag entwickelt, der den Textvorschlag der Initiative an einigen Punkten deutlich abschwächt, indem eine Haftung nur für Handlungen von Tochterunternehmen (nicht von Geschäftspartnern) und nur für schwere Menschenrechtsverletzungen wie Tötung oder schwere Körperverletzung in Betracht kommen soll. Kleine und Mittlere Unternehmen sollen ganz von der Regelung ausgenommen sein. Unterstützung erfährt der Gesetzesvorschlag von einem der größten Dachverbände der Schweizer Wirtschaft, dem Groupement des Entreprises Multinationales GEM, wie auch von namhaften Unternehmen wie Migros oder Ikea. Auch die Initiative zeigt sich kompromissbereit. Der Gegenwind ist jedoch groß, insbesondere der Unternehmensdachverband Economiesuisse, macht mobil. Der Ausgang der Initiative ist damit noch ungewiss.

In der EU haben im Sommer 2016 acht nationale Parlamente von EU-Mitgliedstaaten die Europäische Kommission mit einer sogenannten «Green Card» dazu aufgefordert, auf EU-Ebene eine Sorgfaltsprüfungspflicht für Unternehmen einzuführen. Auch das Europäische Parlament hat dies 2015 in einer Resolution gefordert. Die derzeitige EU-Kommission sieht aber keinen Bedarf mehr, in ihrer Amtszeit noch einmal tätig zu werden.

Die Langfassung dieses Beitrags von Johanna Kusch und Josephine Valeske enthält neben zusätzlichen Informationen auch weiterführenden Links. Darüber hinaus bietet die Webseite Business and Human Rights In Law u. a. einen grafischen Überblick über die gesetzlichen Sorgfaltspflichten in verschiedenen Ländern weltweit.