Extraterritoriale Pflichten (Extraterritorial obligations – ETOs) sind Pflichten des Staates, Menschenrechte nicht nur in ihrem eigenen Gebiet zu achten, zu schützen und zu gewährleisten sondern überall dort, wo ihre Handlungen oder Unterlassungen die Lage der Menschenrechte beeinflussen. Bisher erkennen nur wenige Staaten die Existenz solcher Pflichten an. Solange dies so bleibt, klafft im internationalen Menschenrechtsschutz eine Lücke:
- Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch transnationale Konzerne finden oft keine Gerechtigkeit in ihren Ländern. In solchen Fällen müssten die Heimatländer der Konzerne diese zur Verantwortung ziehen und den Opfern Gerechtigkeit widerfahren lassen. Bis heute sehen sich aber meistens als unzuständig.
- Internationale Finanzinstitute tragen durch ihre Geschäftspolitik oft zu Menschenrechtsverletzungen bei. Hier wären Mitgliedsstaaten verpflichtet, sicherzustellen, dass diese Institute menschenrechtskonform arbeiten.
- Internationale Handels- und Invenstitionsabkommen enthalten oft Klauseln, die soziale und wirtschaftliche Menschenrechte beeinträchtigen (Recht auf Nahrung, Arbeiterrechte etc.). Die extraterritorialen Pflichten verlangen, dass solche zwischenstaatlichen Verträge menschenrechtskonform sein müssen.
- Viele globale Menschenrechtsprobleme, darunter Ungerechtigkeiten im Welthandelsystem oder die Folgen des Klimawandels lassen sich nur in Zusammenarbeit der Staaten lösen. Daher gibt es eine Staatenpflicht zur Zusammenarbeit zum Schutz der Menschenrechte
Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte formulieren diese Pflicht nur unvollständig aus. Maßnahmen dafür, dass Konzerne im Ausland Menschenrechte nicht verletzen sind laut Leitprinzipien nicht verpflichtend, sie sind lediglich wünschenswert und nicht verboten. Einen entscheidenden Schritt weiter gehen hier die Maastrichter Prinzipien für Extraterritoriale Staatenpflichten im Bereich der Wirtschaftlichen, Sozialen und Kulturellen Rechte. Diese wurden 2011 von einem Kreis internationaler Menschenrechtsexperten, darunter zahlreiche heutige und ehemalige UN-Mandatsträger verabschiedet. Nach den Maastrichter Prinzipien leitet sich aus dem bestehenden Völkerrecht spezifische extraterritoriale Staatenpflichten ab.
Diese Einschätzung wird auch vom UN-Antidiskriminierungsausschuss geteilt. Dieser hat insbesondere mehrere westliche Industriestaaten aufgefordert, Auslandstätigkeit von Konzernen zu kontrollieren und Rechtsmittel für Opfer bereitzustellen.
Hier Erläuterungen in englischer Sprache von Olivier de Schutter, dem ehemaligen UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung. De Schutter wirbt dabei für einen gemischten Ansatz – die UN-Leitprinzipien nutzen, gleichzeitig die extraterritorialen Staatenpflichten stärken und für solche Fälle, in denen keiner der beteiligten Staaten seiner Verantwortung nachkommt sollte ein Rechtsinstrument auf UN-Ebene geschaffen werden.