Dass menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten lediglich für Unternehmen der Realwirtschaft gelten sollen, nicht aber für diejenigen, die mithilfe ihrer Kredite, Versicherungen und Investitionen erhebliche Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden ermöglichen, ist nicht nachvollziehbar. Daher setzt sich die CorA-AG Finanzsektor & Menschenrechte dafür ein, dass auch der Finanzsektor verbindlichen umwelt- und menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nachkommen muss.

Freiwillige Selbstverpflichtungen unwirksam

Als zivilgesellschaftliches Netzwerk, das seit Jahren auf die Verwicklungen von Banken, Versicherungen und Investor*innen in menschenrechtsverletzende oder klimaschädliche Projekte aufmerksam macht, wissen wir um die fatalen Folgen bislang fehlender verbindlicher Mindeststandards für die Sorgfaltspflichten der Finanzindustrie. Viele Finanzunternehmen bekennen sich zwar zu freiwilligen Standards wie den UN Principles for Responsible Investment (UN PRI) oder dem Global Compact. Verstöße durch finanzierte Unternehmen führen aber zu keinen ernsthaften Konsequenzen im Sinne der Betroffenen. Das zeigt BankTrack für die 50 weltweit führende Banken und ShareAction für die 77 weltweit größten Vermögensverwaltungen.

Finanzwirtschaft profitiert von Menschenrechtsverletzungen und befeuert die Klimakrise

Das zeigen zum Beispiel die andauernd problematischen Bergbauaktivitäten des Schweizer Rohstoffkonzerns Glencore in der Antapaccay-Kupfermine in Espinar (Peru) und der Cerrejón-Kohlemine in Nord-Kolumbien, finanziert durch zahlreiche Banken und Investoren. Allein von deutschen Banken wurden seit 2016 Kredite im Umfang von 5,8 Milliarden US-Dollar vergeben. Hinzu kommen 483 Millionen US-Dollar an Investitionen aus Deutschland. Hunderttausende Menschen rund um die kolumbianische Steinkohlemine leiden an Atemwegserkrankungen, in Peru sind mehr als 50.000 Menschen hohen Belastungen durch Schwermetalle ausgesetzt, die durch den Kupferbergbau entstehen. In beiden Fällen ist es zu zahlreichen weiteren Menschenrechtsverletzungen gekommen.

Banken und Investoren heizen auch die Klimakrise an. Allein 2022 haben Banken mehr als 150 Milliarden Dollar in Unternehmen gesteckt, deren fossilen Energieprojekte die Klimaziele unerreichbar machen könnten. Werden die 425 weltweit größten Projekte fortgesetzt, würden sie das Vierfache des ohnehin rasch schwindenden globalen Emissionsbudgets verbrauchen. Europa ist aktuell weltweit die zweitgrößte Quelle für institutionelle Investitionen in die fossile Energieindustrie (375 Milliarden US-Dollar). Große Vermögensverwalter wie BlackRock, Vanguard und State Street Global Advisors profitieren von enormen Dividenden großer Ölkonzerne in Milliardenhöhe.

Internationale Standards gelten auch für den Finanzsektor

Es ist nicht nachvollziehbar, dass die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten der EU-Sorgfaltspflichtenrichtlinie und des deutschen Lieferkettengesetzes (LkSG) lediglich für Unternehmen der Realwirtschaft gelten sollen, nicht aber für die Kernaktivitäten der Finanzunternehmen, die mithilfe ihrer Kredite, Versicherungen und Investitionen erhebliche Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden ermöglichen. (…) Im Mai 2024 hat sich die UN-Arbeitsgruppe für Wirtschaft und Menschenrechte deutlich besorgt über diese Ausnahmeregelungen geäußert und betont, dass verbindliche Regeln für Finanzunternehmen entscheidend sind, um zu verhindern, dass  ihre Finanzdienstleistungen Menschenrechtsverletzungen ermöglichen.

Verbindliche Sorgfaltspflichten als Chance für wirksamen Klima- und Menschenrechtsschutz

Verbindliche menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten für Finanzdienstleistungen können dazu beitragen, drängende globale Herausforderungen wie die Klimakrise, Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen wirksam anzugehen. Sie ergänzen die Berichtspflichten der Sustainable Finance-Regulierung um die bislang fehlende Pflicht zum Handeln, wenn Risiken oder Verstöße erkannt wurden. Dass diese Handlungspflichten notwendig sind, zeigen die genannten Beispiele sowie die Greenwashing-Skandale in der jüngeren Vergangenheit.

 

Bei Interesse an der Arbeit oder Mitgliedschaft in der CorA-AG Finanzsektor & Menschenrechte wenden Sie sich gern an uns.

Kontakt:

AG-Koordinatorin Sophia Cramer, sophia.cramer[at]posteo.de

Stellvertretung: Tilman Massa, tilman.massa[at]kritischeaktionaere.de

 

 

Weiterlesen: Stellungnahmen, Briefings und Studien (Auswahl)

Beitrag CorA-Newsletter: EU-Sorgfaltspflichtenrichtlinie: Finanzsektor bleibt verschont (Juli 2024)

FIAN: Factsheet Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten von Finanzunternehmen (Juni 2024)

Dachverband Kritische Aktionär*innen & urgewald: Klimazerstörung? Menschenrechtsverletzungen? #NichtMitMeinerRente. Stellungnahme zum Generationenkapital (März 2024)

Südwind: Menschenrechte im Finanzsektor: Basiswissen zu Begriffen, Unterscheidungen und Prozessen (Februar 2024)

NGO-Stellungnahme zur weitgehenden Befreiung des Finanzsektors von Sorgfaltspflichten im EU-Lieferkettengesetz (Dezember 2023)

Pressemitteilung zum Appell der Zivilgesellschaft an die Bundesregierung: Der Finanzsektor gehört in die EU-Sorgfaltspflichtenrichtlinie! (Dezember 2023)

FacingFinance: Studie Dirty Profits 10: Transformation oder Resignation? (November 2023)

Pressemitteilung: NGOs kritisieren Ausklammerung von Finanzsektor aus deutschem Lieferkettengesetz (August 2023)

Policy Paper: Für eine umfassende Verpflichtung des Finanzsektors im EU-Wertschöpfungskettengesetz (Juli 2023, englisch)