Multi-Stakeholder-Initiativen (MSI) sind ein Instrument im Rahmen des auch von den Vereinten Nationen geforderten Smart Mix, d.h. der Mischung nationaler und internationaler, bindender und freiwilliger Maßnahmen, um die Achtung der Menschenrechte durch Unternehmen zu fördern. In MSI kommen Regierung, zivilgesellschaftliche Organisationen und Gewerkschaften mit Unternehmen und Verbänden sowie weiteren Akteur*innen zusammen, um gemeinsam an der Umsetzung menschenrechtlicher und ökologischer Sorgfaltspflichten entlang der Liefer- und Wertschöpfungsketten von ganzen Branchen, spezifischen Produkten oder Rohstoffen zu arbeiten. Rechteinhaber*innen bzw. deren Vertreter*innen sind dagegen nur selten Teil von MSI. MSI können sehr viele verschiedene Ausprägungen haben und rangieren von eher unverbindlichen Dialogformaten zu Initiativen, in denen auf Basis einer gemeinsamen Zielsetzung individuelle Maßnahmen und kollektive Projekte entwickelt und umgesetzt werden. MSI sind zu unterscheiden von reinen Industrieinitiativen, wo Unternehmen sich ohne Beteiligung der Zivilgesellschaft auf bestimmte Nachhaltigkeitsstandards oder -maßnahmen einigen.

Der potenzielle Mehrwert von MSI liegt insbesondere darin, dass Unternehmen durch ein gemeinsames Agieren (auch mit Regierungsakteuren und Zivilgesellschaft) eine größere Marktmacht und damit einen größeren Hebel entwickeln können, um die menschenrechtliche Situation in spezifischen Sektoren und Lieferketten zu verbessern. Trägerorganisationen des CorA-Netzwerkes sind aktuell in mehreren MSI vertreten: in den im Rahmen des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) initiierten NAP-Branchendialogen mit der Automobilwirtschaft und der Energiewirtschaft, im Forum Nachhaltiger Kakao, dem Runden Tisch Menschenrechte im Tourismus oder auch dem Bündnis für nachhaltige Textilien.

Allerdings zeigen die Erfahrungen der deutschen Zivilgesellschaft, dass MSI sehr zeitaufwändig sind bei häufig kleinen Fortschritten und einem teils geringen Ambitionsniveau. Eine große Herausforderung besteht in der Freiwilligkeit von MSI und dem Fehlen von Sanktionsmechanismen, falls Unternehmen gemeinsame oder individuelle Maßnahmen nicht (ausreichend) umsetzen. Die Mitgliedschaft und Mitarbeit von Unternehmen in einer MSI kann daher kein Nachweis dafür sein, dass ein Unternehmen menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten erfüllt. Außerdem fehlen in vielen MSI die Perspektive und ernsthafte Einbeziehung von Rechteinhaber*innen aus dem Globalen Süden. Als deutsche Zivilgesellschaft können wir diese Lücke nicht schließen – stattdessen müssen Rechteinhaber*innen als eigenständige Akteur*innen in MSI einbezogen werden – beispielsweise, wenn es um die umfassende Analyse menschenrechtlicher Risiken sowie Potenziale für Abhilfemaßnehmen geht.

Nichtsdestotrotz können MSI einen vertrauensvollen Rahmen für einen Austausch und eine Zusammenarbeit verschiedener Akteursgruppen bieten. In ihnen können gemeinsam vielversprechende und ambitionierte Ansätze zur Umsetzung von Sorgfaltspflichten pilotiert und skaliert werden. Daher können MSI eine sinnvolle Ergänzung zu regulatorischen Maßnahmen sein, diese aber niemals ersetzen. Die politische Priorität muss daher weiterhin bei der Schaffung und Umsetzung verbindlicher Regularien wie dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und der EU-Richtlinie für Corporate Sustainability Due Diligence (CSDDD) liegen.

Publikationen von CorA und CorA-Trägerorganisationen zu Multi-Stakeholder-Initiativen:

Rechteinhaber*innen wirksam in Multi-Stakeholder-Initiativen einbeziehen

Anforderungen an wirkungsvolle Multi-Stakeholder-Initiativen zur Stärkung unternehmerischer Sorgfaltspflichten