Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNLP bzw. UNGP nach dem englischen Begriff UN Guiding Principles on Business and Human Rights) sind ein 2011 vom UN-Menschenrechtsrat verabschiedeter globaler Standard zur Verhütung und Behebung von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Wirtschaftstätigkeit. Die Leitprinzipien sind in drei Säulen eingeteilt:
- Die Pflicht des Staates, Menschenrechte zu schützen,
- Die Verantwortung von Unternehmen, diese Rechte zu achten und
- Der notwendige Zugang zu gerichtlicher und außergerichtlicher Abhilfe gegen Menschenrechtsverletzungen
Hintergrund: Video (engl.): The UN Guiding Principles on Business and Human Rights: An Introduction
Die Leitprinzipien schaffen keine neuen völkerrechtlichen Verpflichtungen, sondern sie legen in 31 einzelnen Prinzipien dar, was bestehende menschenrechtliche Verpflichtungen im Bereich der Wirtschaftstätigkeit konkret bedeuten: Was haben Staaten zu leisten, um ihre grundlegenden Pflicht, Menschenrechte zu schützen, zu erfüllen? Welcher Verantwortung unterliegen Unternehmen, unabhängig davon, ob der Staat seiner Schutzpflicht nachkommt? Was sind die Mindestanforderungen an Rechtsschutz für Opfer von Menschenrechtsverletzungen?
Die unter Leitung von Prof. John Ruggie erarbeiteten Leitprinzipien gehen diesen Fragen systematisch nach und versuchen dabei, allgemeingültige Regeln aufzustellen, die weltweit Anwendung finden können.
Menschenrechtsverantwortung ist verbindlich.
Die Leitprinzipien selbst sind kein völkerrechtlicher Vertrag. Trotzdem werden sie als verbindlich für Staaten und Unternehmen aufgefasst, da die ihnen zugrundeliegenden völkerrechtlichen Normen in internationalen Pakten und Konventionen vertraglich festgelegt und garantiert sind.
Initiativen zur Umsetzung
Der UN-Arbeitsgruppe für Wirtschaft und Menschenrechte und die EU fordern alle Staaten auf, Nationale Aktionspläne (NAP) zur Umsetzung der UNGP zu entwickeln. Immer mehr Staaten folgen diesem Aufruf. Das Danish Institute for Human Rights und das Business and Human Rights Resource Center geben einen Überblick über die Umsetzung der UNGP. Die deutsche Bundesregierung hat ihren Aktionsplan für den Zeitraum 2017-2021 am 21. Dezember 2016 veröffentlicht.
Hintergrund: Die drei Säulen der UN-Leitprinzipien
Säule I: Die Schutzpflicht des Staates + ausklappen
Staaten sind völkerrechtlich verpflichtet, Menschenrechte zu schützen. Das heißt, sie müssen verhindern, dass diese durch Dritte verletzt werden bzw. sie müssen sicherstellen, dass Dritte, wie zum Beispiel Wirtschaftsunternehmen, Menschenrechte nicht verletzen.
Hierzu müssen sie alle nötigen Schritte ergreifen:
- durch Politik, Gesetzgebung und Regulierung sicherstellen, dass Unternehmen Menschenrechte achten und darüber berichten, wie sie ihren menschenrechtlichen Auswirkungen begegnen;
- sicherstellen, dass Verletzungen untersucht, geahndet und wiedergutgemacht werden;
- dort besondere menschenrechtliche Sorgfalt walten lassen, wo sie selbst am wirtschaftlichen Geschehen beteiligt sind:
- bei Unternehmen in staatlichem Eigentum oder unter staatlicher Kontrolle;
- wenn Unternehmen staatliche Unterstützung in Form von Krediten, Exportkredit- oder Investitionsgarantien oder Dienstleistungen erhalten;
- wenn Unternehmen im Auftrag des Staates Dienstleistungen erbringen, die sich auf die Wahrnehmung der Menschenrechte auswirken können, z. B. bei der Wasserversorgung oder im Gesundheitsbereich;
- bei der öffentlichen Beschaffung;
- bei der Aushandlung von Handels- und Investitionsabkommen;
- in multilateralen Institutionen, die mit geschäftsbezogenen Fragen befasst sind.
Leider bleiben die UNGP in der Frage unklar, wie genau Staaten ihrer Schutzpflicht dahingehend gerecht werden sollen, dass in ihrem Territorium tätige Unternehmen in ihren Auslandsgeschäften die gebotene menschenrechtliche Sorgfalt walten lassen. Die von Menschenrechtsexpert*innen und Zivilgesellschaft eingeforderte gesetzliche Regulierung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten – auch jenseits staatlich-privater Geschäftsverbindungen – würde diesbezüglich Klarheit schaffen. Weitere Informationen
Säule II: Die Menschenrechtsverantwortung der Unternehmen + ausklappen
Haben Unternehmen Menschenrechtspflichten? Viele transnationale Konzerne haben Jahresumsätze, die die Haushalte mancher Entwicklungsländer bei weitem übersteigen. Sie verfügen über gewaltige Macht, Einfluss und Ressourcen, doch haben sie auch Pflichten?
Menschenrechte sind in internationalen Abkommen vertraglich definiert, im UN-Sozialpakt, im UN-Zivilpakt und vielen einzelnen Menschenrechtsabkommen. Doch Vertragsparteien dieser Abkommen sind ausschließlich Staaten und wenn diese keine klaren menschenrechtlichen und ökologischen Standards durchsetzen, laufen Unternehmen Gefahr, direkt oder indirekt an Menschenrechtsverletzungen beteiligt zu sein oder von ihnen zu profitieren. Deshalb stellen die UN-Leitprinzipien klar, dass auch die Unternehmen eine Verantwortung dafür tragen, Menschenrechte zu respektieren. Dies ist die zweite Säule der UN-Leitprinzipien.Diese Verantwortung existiert unabhängig von der Schutzpflicht des Staates. Wenn ein Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Menschenrechte zu schützen, so enthebt dies Unternehmen nicht ihrer Verantwortung.
Kern der Unternehmenspflicht ist die menschenrechtliche Sorgfalt („human rights due diligence“).
Säule III: Zugang zu Abhilfe + ausklappen
Als Teil ihrer Schutzverpflichtung müssen Staaten den Betroffenen von Menschenrechtsverstößen Zugang zu gerichtlichen und außergerichtlichen Mitteln verschaffen, damit wirtschaftsbezogene Menschenrechtsverstöße untersucht, geahndet und wiedergutgemacht werden.
Die UN-Leitprinzipien bezeichnen solche Mittel als „Abhilfe“ (Englisch: remedies). Darunter fallen sowohl Gerichte als auch außergerichtliche Beschwerdemechanismen, zwischenstaatliche Menschenrechtsmechanismen und andere Verfahren, die geeignet sind, Menschenrechtsverletzungen abzustellen und den Opfern Gerechtigkeit zu verschaffen.
Im Steckbrief Schutzlücken schließen – Rechtszugang für Betroffene aus dem Ausland verbessern und unter Zugang zu Gerechtigkeit zeigt CorA Handlungsbedarf im deutschen Rechtssystem auf, damit Betroffene aus dem Ausland auch hierzulande ihre Rechte geltend machen können.