Bereits bei der Erstellung des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) zwischen 2014 und 2016 zeigte sich in den zahlreichen Anhörungen und Diskussionsrunden, die die Bundesregierung damals durchführte, wie sehr sich die Wirtschaftsverbände gegen jegliche Verbindlichkeit bei der Einhaltung von Sorgfaltspflichten wehrten. Infolgedessen sieht der NAP nur freiwillige Maßnahmen vor und legte den Grundstein für das oben beschriebene Monitoring, statt gleich ein Gesetz einzuführen, in dem die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten von Unternehmen klar geregelt werden. Die Veröffentlichung Sorgfältig verwässert von Brot für die Welt, Global Policy Forum und MISEREOR zeigt nun auf, in welcher Form der Lobbydruck der Verbände weitergeführt wurde, um das NAP-Monitoring zu verwässern und die Unternehmen in möglichst gutem Licht dastehen zu lassen. Auch Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller geriet unter massiven Druck, nachdem im Februar 2019 ein in seinem Ministerium erstellter Entwurf für ein Wertschöpfungskettengesetz an die Öffentlichkeit gelangte.
Für die Recherche stellten Brot für die Welt, Global Policy Forum und MISEREOR sechs Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) an mehrere Bundesministerien. Darin wurden Informationen zu Treffen und schriftlichem Austausch der Ministerien mit Unternehmen und Wirtschaftsverbänden zu den Themen „NAP-Monitoring“ und „Lieferkettengesetz“ angefragt. Die Auswertung zeigt: Allein zwischen März und Juli 2019 fanden elf Treffen von Unternehmen und ihren Verbänden mit dem Wirtschaftsministerium statt, bei denen es um die Methodik des NAP-Monitorings ging. Dies erklärt, warum das Wirtschaftsministerium aus dem zuvor vereinbarten Konsens der Ministerien ausscherte und etliche Verwässerungen der Methodik durchsetzte, durch die die Anzahl der „Nicht-Erfüller“ in der Bewertung der Umfrageergebnisse deutlich sinken kann. Eine wichtige Rolle nimmt dabei Steffen Kampeter ein, jetziger Geschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA) und bis 2015 Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Wie die Recherche zeigt, nutzt er seine persönlichen Kontakte zu Regierungsmitgliedern ausgiebig, um jegliche Verbindlichkeit bei der Unternehmensverantwortung zu verhindern.
Aktivist*innen der Initiative Lieferkettengesetz haben daher am 12.11.2019 vor dem Arbeitgebertag, nach eigener Aussage dem wichtigsten wirtschafts- und sozialpolitischen Kongress der deutschen Wirtschaft, gegen den „Kuschelkurs“ von Wirtschaftsminister Peter Altmaier gegenüber den Wirtschaftsverbänden protestiert. Mit einer symbolischen Aktion forderten sie die Teilnehmer*innen des Kongresses, darunter Bundeskanzlerin Merkel und etliche weitere Bundesminister*innen, auf, ihren Widerstand gegen ein Lieferkettengesetz aufzugeben. In ihrer Pressemitteilung hebt die Initiative Lieferkettengesetz hervor: „Mit seiner Blockade eines Lieferkettengesetzes hilft Minister Altmaier nicht der Wirtschaft, sondern verschafft nur jenen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil, die zulasten von Umwelt und Menschenrechten Kosten sparen und Profite steigern.“
Heike Drillisch (CorA-Netzwerk)