Mit einem Offenen Brief wenden sich 82 Organisationen an die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und den Europäischen Rat und weisen darauf hin, dass der Kommissionsvorschlag für unternehmerische Sorgfaltspflichten trotz seines wegweisenden Potenzials Gefahr läuft, die Bedürfnisse von Frauen und Mädchen zu vernachlässigen.
Die Organisationen betonen, dass der vorliegende Text die Tatsache nicht anerkennt, dass Unternehmen und Menschenrechtsverletzungen unterschiedliche Auswirkungen auf marginalisierte Personen und Gruppen haben, dazu gehören auch Frauen und Mädchen. Dies ist eine große Enttäuschung, da bereits im November 2021 mehr als 60 Organisationen an die Europäische Kommission geschrieben und sie aufgefordert haben sicherzustellen, dass der kommenden Richtlinienvorschlags geschlechtergerecht ausgestaltetet ist und sich an der EU-Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter und dem dritten Aktionsplan für die Gleichstellung der Geschlechter (GAP III) orientiert.
Geschlechterspezifische Folgen für Frauen treten in allen Wirtschaftsbranchen auf, von der Rohstoffgewinnung über das verarbeitende Gewerbe und die Landwirtschaft bis hin zum Beherbergungsgewerbe, dem Lebensmittelhandel oder der Textilindustrie. Diese besondere Betroffenheit überschneidet sich häufig mit anderen Formen der Diskriminierung. Viele Frauen werden zusätzlich etwa aufgrund von Ethnizität, Alter, Klasse, Kaste, Migrationsstatus, geschlechtlicher Identität und anderer Faktoren diskriminiert.
Geschlechtergerechte Sorgfaltspflichten und unternehmerische Rechenschaftspflicht werden daher dringend benötigt, um diese tiefliegenden Ungleichheiten angemessen zu anzugehen. Geschlechtergerechtigkeit muss in allen Schritten des Sorgfaltspflichten-Prozesses berücksichtigt werden. Erfolgt dies nicht, geraten die spezifischen Risiken und zusätzlichen Hürden für Frauen und andere vulnerable Gruppen aus dem Blick. Zudem müssen die Hindernisse beim Zugang zu Recht abgebaut werden, denn ansonsten wird es den betroffenen Frauen und Mädchen auch weiterhin nicht möglich sein, sich zu wehren und Wiedergutmachung einfordern.
In dem Offenen Brief benennen die Organisationen konkrete Nachbesserungen, die die politischen Entscheidungsträger*innen in die nun folgenden Verhandlungen über den Kommissionsentwurf einbringen sollten.