Herzlich willkommen zum Newsletter des CorA-Netzwerks!
Es gibt Grund zur Freude: Nach intensiven Verhandlungen hat das Europäische Parlament seine Position zum EU-Lieferkettengesetz beschlossen. Last-minute Änderungsvorschläge insbesondere deutscher konservativer Abgeordneter , die den zuvor ausgehandelten Kompromiss völlig ausgehöhlt hätten, fanden weitestgehend keine Mehrheit. So ist der Weg nun frei für die letzte Etappe auf dem Weg zur EU-Richtlinie: den Trilog zwischen Kommission, Rat und Parlament.
Bereits in Kraft getreten ist das deutsche Lieferkettengesetz und eine erste Beschwerde aus den Reihen des CorA-Netzwerks wegen menschenrechtswidriger Arbeitsbedingungen in Bangladesch wurde bereits eingereicht.
Zudem berichtet dieser Newsletter über den Fortgang des UN-Treaty, die Verwicklung von BASF in sklavenähnliche Arbeitsbedingungen in Brasilien und die Verantwortung des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus für nachgelagerte Lieferketten.
Einen neuen Ansatz, Nachhaltigkeit im Unternehmenshandeln zu verankern, bieten das Kartellrecht und die Reform des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Gleich zwei Novellen hat das Bundeswirtschaftsministerium auf den Weg gebracht. Wir analysieren, welche Chancen dies bietet.
Wir wünschen eine anregende Lektüre!
Heike Drillisch
(CorA-Koordinatorin)
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Nach Abstimmung im Parlament: Was dem EU-Lieferkettengesetz noch fehlt
Michelle Trimborn (Initiative Lieferkettengesetz) & Jonas Laur (Germanwatch)
Nach intensiven Verhandlungen hat das Europäische Parlament am 1. Juni mit stabiler Mehrheit seine Position zum EU-Lieferkettengesetz beschlossen. Zuvor hatte der Rechtsausschuss seine Empfehlungen abgegeben, auch Unternehmen positionierten sich. Ein wichtiger Schritt– aber die Zivilgesellschaft fordert Nachbesserungen.
Am vergangenen Donnerstag konnte der Prozess zum EU-Lieferkettengesetz eine wichtige Hürde nehmen: Mit der Positionierung des Europäischen Parlaments haben sich nun die drei relevanten EU-Instanzen – neben dem Parlament auch EU-Kommission sowie Ministerrat – zur Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) positioniert. Damit kann der Trilog-Prozess beginnen, in dem alle Akteure gemeinsam den endgültigen Inhalt der Richtlinie verhandeln. Aus Sicht zivilgesellschaftlicher Akteure, wie der Initiative Lieferkettengesetz, müssen jedoch noch viele Schlupflöcher geschlossen werden, damit das EU-Lieferkettengesetz wirksam Menschen, Klima und Umwelt schützen kann.
Abstimmung im Rechtsausschuss: Positive Zeichen, zu viele Mängel
Ausgangspunkt für die Parlamentsposition waren die Empfehlungen des federführenden Rechtsausschusses (JURI), der am 25. April über seine Position zur CSDDD abstimmte. Die Empfehlungen enthalten viele starke Aspekte, die nun auch das Parlament unterstützte, wie eine Stärkung des risikobasierten Ansatzes im Sinne der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Zudem soll sich die unternehmerische Sorgfaltspflicht nicht auf die sogenannten „etablierten Geschäftsbeziehungen“ beschränken, sondern grundsätzlich die gesamte Wertschöpfungskette vom Rohstoffabbau bis zur Entsorgung abdecken. Auch die effektive Einbeziehung von Stakeholdern, explizite klimabezogene Sorgfaltspflichten und die wichtige Klausel zur zivilrechtlichen Haftung sind nun in der Position des Europäische Parlaments enthalten.
Doch es gibt Nachsteuerungsbedarf: Spezifizierungen zur nachgelagerten Wertschöpfungskette, etwa zur Verwendung potenziell gefährlicher Produkte wie giftigen Chemikalien, werden nicht ausreichend dargelegt. Bei den Sorgfaltspflichten für Finanzunternehmen gibt es zu viele Ausnahmen. Und in Sachen Klimaschutz geht aus der Parlamentsposition nicht ausreichend hervor, inwieweit Treibhausgas-Emissionen entlang der Wertschöpfungskette berücksichtigt werden müssen. Problematisch ist zudem, dass die Parlamentsposition keine Regelung zur fairen Beweislastverteilung zwischen Unternehmen und Rechteinhabenden vorsieht. So bestehen für Betroffene weiter große Hürden, wenn sie Unternehmen bei Rechtsverletzungen etwa auf Wiedergutmachung verklagen wollen.
Konzernfreundliche Änderungsanträge scheitern
Änderungsanträge, die von Mitgliedern der konservativen EVP-Fraktion kurz vor der Abstimmung noch eingebracht worden waren, fanden weitestgehend keine Mehrheit. Sie hätten den Vorschlag bis zur Unkenntlichkeit ausgehöhlt. Vorangetrieben worden waren sie von Angelika Niebler (CSU). Wegen ihrer Nebentätigkeiten im Kuratorium der TÜV Süd Stiftung und bei der Anwaltsfirma Gibson, Dunn & Crutcher, die internationale Großkonzerne vertritt, ermittelt aktuell die Parlamentspräsidentin wegen eines Interessenkonflikts gegen Niebler. TÜV Süd steht in der Kritik, weil eine Tochterfirma 2018 einen Damm im Eisenerzbergwerk Brumadinho zertifiziert hatte, der kurz darauf brach und 272 Menschen tötete.
Unternehmen wollen Verantwortung übernehmen
Vor den Abstimmungen wurde von allen Seiten mobilisiert: 39 große Unternehmen, darunter ALDI Süd, Unilever und Ikea, verkündeten ihre Unterstützung einer starken CSDDD. Sie positionierten sich damit für ein Gesetz, das Hand in Hand mit internationalen Standards geht, wie den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und den entsprechenden OECD-Leitlinien, die die gesamte Wertschöpfungskette und alle relevanten Sektoren einbeziehen. Dabei dürfen Multi-Stakeholder Initiativen (MSI) nicht dazu führen, dass Unternehmen ihre Sorgfaltspflichten auslagern können – eine Regelung, die unter anderem Deutschland im EU-Rat gefordert hatte.
#WiesoWeshalbDarum: Neue Kampagne für ein starkes Lieferkettengesetz
Auch die Bürger*innen Europas setzen sich weiter für ein starkes EU-Lieferkettengesetz ein, wie bei einer europaweiten Aktionswoche Ende April oder dem Weltladen-Tag am 13. Mai. Die Initiative Lieferkettengesetz als Bündnis von über 130 Mitgliedsorganisationen stellte zeitgleich ihre neue Kampagne #WiesoWeshalbDarum vor. Im Fokus der Kampagne stehen der Einbezug des Finanzsektors, das Ende von Greenwashing mit unwirksamen Zertifizierungen und Siegeln sowie der Zugang zu Recht für Betroffene. Auch der Klima- und Umweltschutz ist ein wichtiger Schwerpunkt der Kampagne, die von deutschen EU-Abgeordneten und der Bundesregierung entsprechende Nachbesserungen im Trilog fordert.
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Foto: Anton Maksimov/ unsplash.com
Arbeitsbedingungen in Bangladesch: Beschwerde beim BAFA eingereicht
Gisela Burckhardt (FEMNET)
Seit dem 1.1.2023 ist das deutsche Lieferkettengesetz (LkSG) in Kraft. In einem ersten Schritt müssen daher Unternehmen ab 3.000 Mitarbeitenden ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen. Doch nicht alle tun dies bereits in ausreichendem Maß. FEMNET und ECCHR haben daher als erste CorA-Trägerorganisationen Beschwerde beim BAFA eingereicht. Sie richtet sich gegen die Großkonzerne Amazon und IKEA wegen Arbeitsrechtsverletzungen in Bangladesch.
Die Beschwerde gegen die Produktionsbedingungen der beiden Großkonzerne wurde gemeinsam mit der bangladeschischen Gewerkschaft National Garment Workers Federation (NGWF) am 24.4.2023 beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eingereicht, der für die Überwachung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes zuständigen Behörde. Grundlage ist eine im März 2023 in Bangladesch durchgeführte Recherche der NGWF, bei der Sicherheitsmängel, aber auch andere Arbeitsrechtsverletzungen wie mangelnde Gewerkschaftsfreiheit, Zwang zu Überstunden wie auch geschlechtsspezifische Gewalt am Arbeitsplatz festgestellt wurden.
Weniger Arbeitsrechtsverletzungen dank „Bangladesh Accord“
Dass Arbeitsrechtsverletzungen in Bangladesch in manchen Fabriken noch immer an der Tagesordnung stehen, bereitet Grund zur Sorge. Denn eigentlich gibt es bereits seit 2013 einen effektiven Mechanismus zur Verbesserung der Sicherheit am Arbeitsplatz, den Bangladesh Accord. Dieses „Abkommen für Gebäudesicherheit und Feuerschutz in Bangladesch“ war eine Reaktion auf den Einsturz des Rana Plaza Gebäudes zehn Jahre zuvor, bei dem 1.138 Menschen ums Leben kamen, während sie für internationale Marken nähten. Es hat zu sicheren Arbeitsplätzen bei rund 1.600 exportorientierten Fabriken geführt, da die Gebäudesicherheit, also Statik, Elektrik und Feuerschutz, sowie Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz wesentlich verbessert wurden. Die seit 2013 durchgeführten über 40.000 Inspektionen deckten mehr als 150.000 Sicherheitsmängel auf. Die hierzu verfassten Corrective Action Pläne wurden bis zu 90 Prozent umgesetzt. Außerdem wurden über 1.500 Beschwerden zu Gebäudesicherheit und Gesundheitsaspekten von Beschäftigten eingereicht, worunter auch fehlender Mutterschutz, geschlechtsspezifische Gewalt am Arbeitsplatz und erzwungene Überstunden fallen. Die Sicherheit für die Beschäftigten wurde auf diese Weise beträchtlich erhöht. Dies wurde möglich, weil 197 Unternehmen den Accord unterzeichnet und unterstützt haben. Der Accord gilt als der erfolgreichste Mechanismus zur Verbesserung der Sicherheit am Arbeitsplatz weltweit. Dennoch haben führende Unternehmen, die in Bangladesch produzieren lassen, das Abkommen oder seinen Nachfolger bis heute nicht unterzeichnet – darunter auch die von der Beschwerde betroffenen Konzerne Amazon und IKEA.
Großkonzerne in der Kritik wegen Nicht-Unterzeichnung des Abkommens
Die Beschwerdeführenden sind davon überzeugt, dass die Nichtunterzeichnung des Bangladesh Accord eine Verletzung der Sorgfaltspflicht von Unternehmen darstellt. Sie setzen darauf, dass das BAFA dies anerkennt und Amazon und IKEA als Mindestmaßnahme zur Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten den Beitritt zum Accord auferlegt. „10 Jahre nach Rana Plaza gibt es noch immer Fabriken in Bangladesch, die für internationale Konzerne wie Amazon, IKEA oder Tom Tailor Kleidung produzieren, in denen es kaum Sicherheitskontrollen gibt. Das können wir nicht länger hinnehmen“, begründet Amirul Haque Amin, Präsident und Mitbegründer der NGWF, das Einreichen der Beschwerde.
Es ist nicht die erste Kritik an den genannten Großkonzernen. Schon im November 2022 wurden sie in einem offenen Schreiben von FEMNET und ECCHR darauf hingewiesen, dass 20 Jahre Sozialaudits nicht zu besseren Arbeitsbedingungen geführt haben, und sie wurden aufgefordert, den Accord zu unterzeichnen.
Beschwerdeverfahren beim BAFA
Maren Leifker, Juristin und Referentin für Wirtschaft und Menschenrechte, Brot für die Welt
Seit Inkrafttreten des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) am 1. Januar 2023 können Betroffene und zivilgesellschaftliche Organisationen über ein Online-Formular des BAFA Beschwerde einreichen, wenn ein Unternehmen seine Sorgfaltspflichten missachtet. So können Betroffene geltend machen, dass sie in ihren Rechten verletzt werden oder eine solche Verletzung droht. In § 14 Abs. 1 LkSG ist geregelt, dass die Behörde tätig werden muss, sobald betroffene Personen beim BAFA einen solchen Antrag stellen. Das Beschwerdeverfahren ist das zentrale Rechtsschutzinstrument des LkSG für Betroffene, da eine Regelung der zivilrechtlichen Haftung fehlt.
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Sklavenähnliche Bedingungen in Brasilien: BASF reagiert
Tilman Massa (Dachverband Kritische Aktionärinnen und Aktionäre)
Nach Ermittlungen gegen BASF als „tatsächlicher Arbeitgeber“ von sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen auf zwei Reisfarmen in Brasilien reagiert der Chemiekonzern schnell und beteiligt sich an Entschädigungszahlungen. Dennoch wirft der Fall ein schlechtes Licht auf die bisherigen Kontroll- und Präventionsmaßnahmen der BASF.
Direkte Zulieferer der BASF sind nachweislich für menschenunwürdige Arbeitsbedingungen auf zwei Reisfarmen in Uruguaiana im brasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul verantwortlich, die den gesetzlich definierten sklavenarbeitsähnlichen Zwangsverhältnissen entsprechen. Am 10.03.2023 wurden dort 85 Menschen, darunter elf Minderjährige zwischen 14 und 17 Jahren, aus unmenschlichen Arbeitsbedingungen durch Beamt*innen der brasilianischen Bundespolizei, des Arbeitsministeriums sowie der Bundesstaatsanwaltschaft befreit. Die Menschen berichteten über Arbeit ohne Anmeldung und Versicherungsschutz, pausenlose Arbeit, Unterbringung ohne sanitäre Einrichtungen sowie Essens- und Flüssigkeitsmangel auf dem Feld. Wer deshalb in Ohnmacht fiel, erhielt für diese Zeit keinen Lohn. Pestizide wurden ohne angemessene Schutzkleidung ausgesprüht, auch von Minderjährigen.
Enge Kooperation und Einfluss zeigen Verantwortung der BASF
In einer ersten öffentlichen Stellungnahme bedauerte BASF die Zustände und versprach, mit den Behörden bei der Aufklärung des Falls zu kooperieren. Gleichzeitig betonte BASF aber auch, lediglich Produktionsverträge mit beiden Farmen als Zulieferer abgeschlossen zu haben. Das brasilianische Arbeitsministerium bezeichnete BASF jedoch als „tatsächlichen Arbeitgeber“, da die Kooperation mit den betroffenen Farmen über einen bloßen Saatgut-Abnahmevertrag hinausging. So wies die Behörde gegenüber Medien darauf hin, dass BASF „die absolute Kontrolle und das Management über alles, was auf der Plantage geschah, einschließlich der Ausbildung und des Einsatzes der geretteten Arbeiter“ hatte.
Maßnahmen der BASF in der Kritik
So oder so: Es handelte sich um klare Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen bei direkten Zulieferern der BASF. Gemäß den bisherigen Aussagen der BASF zur Prüfung und Kontrolle von Lieferanten hätte so etwas nicht vorfallen dürfen. So lässt sich BASF von seinen Zulieferern vertraglich zusichern, dass diese geltende Arbeitsgesetze einhalten und Menschenrechte achten. Laut des seit Januar 2023 auch für BASF geltenden deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) muss das Unternehmen zudem jährlich und anlassbezogen eine Risikoanalyse durchführen, um die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken zu ermitteln. Doch weder haben Verträge mit den Reisfarmen die offensichtlichen Missstände verhindert, noch wurden diese durch die bisherigen Risikoanalysen aufgedeckt. Erst das Eingreifen der brasilianischen Ermittlungsbehörden hat die untragbaren Zustände beendet. Der Fall zeigt damit auch, wie wichtig ein unabhängiger, effektiver Beschwerdemechanismus ist, der im Sinne der Betroffenen funktioniert.
LkSG in Aktion: Befähigung und Rückzug
Nach § 6 LkSG muss BASF nun etliche Präventionsmaßnahmen ergreifen, sollte an der Geschäftsbeziehung mit den Farmen festgehalten werden. Dazu zählen unter anderem Schulungen und Kontrollmechanismen. In einem Interview mit dem konzerneigenen Online-Magazin berichtete BASF-Compliance-Chef Matthew Lepore über die bisherigen Maßnahmen: Mit einer Reisfarm hat BASF die Zusammenarbeit beendet, da diese keine direkte Verantwortung anerkennen würde. Mit der anderen Reisfarm werde die Kooperation aufrechterhalten, da diese nun gemeinsam mit BASF für die Einhaltung sozialer Standards sorgen wolle.
Damit wendet BASF den Grundsatz „Befähigung vor Rückzug“ des LkSG an, ist aber auch nicht davor zurückgeschreckt, die ultima ratio anzuwenden. Dies ist ein wichtiges Signal an den Agrarsektor. Denn es zeigt, dass durch Rechtsverstöße die gesamte Geschäftsgrundlage riskiert wird.
BASF leistet 1,7 Millionen Euro als Entschädigung
Als Entschädigung hat BASF dem brasilianischen Arbeitsministerium vertraglich eine Zahlung von umgerechnet 1,7 Mio. Euro zugesichert. Das Geld soll größtenteils in soziale Projekte zur Beseitigung menschenunwürdiger Arbeitsbedingungen in der Region fließen. Die 85 betroffenen Menschen entschädigt BASF mit jeweils umgerechnet ca. 4.300 Euro. Darüber hinaus sollen Jugendliche unter 16 Jahren (Ausnahme: Lehrlinge ab 14 Jahren) gar nicht mehr und Jugendliche unter 18 Jahren nicht mehr für nächtliche, gefährliche oder gesundheitsschädliche Arbeiten beschäftigt werden.
Wie es nun mit anderen Kooperationen und Zulieferern weitergeht, lässt BASF bislang jedoch offen. Das Unternehmen sollte transparent machen, ob und wie die Zusammenarbeit mit potenziellen Zulieferern von nun an geprüft wird, um Verletzungen von Arbeits- und Menschenrechten künftig zu vermeiden. Denn das Lieferkettengesetz unterstreicht vor allem auch den Wert präventiver Maßnahmen, nicht nur solcher, wenn es schon zu spät ist und die Arbeitsrechtsverletzungen staatlicherseits aufgedeckt wurden und sanktioniert werden.
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Foto: Shane McLendon / unsplash.com
Studie: Maschinen deutscher Unternehmen bei Menschenrechtsverletzungen im Einsatz
Jonas Laur (Germanwatch)
Deutsche Unternehmen liefern Maschinen in Staaten und an Branchen mit hohem Risiko für Menschenrechtsverletzungen. Das zeigt eine neue Studie von Germanwatch, Transparency International Deutschland, Misereor und GegenStrömung. Der gesetzliche Rahmen für Sorgfaltspflichten muss daher auch Wertschöpfungsketten nach der Produktion einbeziehen.
Der Maschinen- und Anlagenbau ist der zweitgrößte Industriezweig Deutschlands und exportiert seine Maschinen in die ganze Welt. Neben Rekordgewinnen für die Branche hat das allerdings auch Schattenseiten: Wenn Arbeiter*innen in Textilfabriken unter ausbeuterischen Bedingungen schuften, lokale Gemeinden durch die Erweiterung einer Mine ihren Zugang zu Trinkwasser verlieren oder Bäuer*innen für ein neues Energiegroßprojekt von ihrem Land vertrieben werden, dann sind häufig auch Maschinenbauunternehmen aus Deutschland mit ihren Lieferungen damit verbunden. Oftmals werden diese Menschenrechtsverletzungen auch von Korruption begleitet.
Deutsche Maschinenbauer können nachgelagerte Risiken reduzieren
Internationale Standards wie die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte nehmen Unternehmen in die Verantwortung, Sorgfaltspflichten in ihrer gesamten Wertschöpfungskette anzuwenden. Dabei können sich auch nachgelagerte Wertschöpfungsketten durch den Verkauf eines Produktes oder einer Dienstleistung, durch die Auslieferung, Wartung, Nutzung, Wiederverwendung und Entsorgung negativ auf Menschen und Umwelt auswirken. Bisher weisen viele Unternehmen jedoch ihre Verantwortung für die nachgelagerte Wertschöpfungskette von sich. Sie argumentieren, es liege außerhalb ihres Einflussbereichs, ob Kund*innen Umweltschutz und Menschenrechte achten. Die NGO-Studie macht jedoch am Beispiel der Sektoren Bergbau, Textilien, Energieproduktion sowie Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen deutlich, dass Unternehmen durchaus die Möglichkeit haben, Einfluss auf die Prävention und Abhilfe von Menschenrechtsverletzungen zu nehmen. Diesen Einfluss können sie zum Beispiel durch Spezialisierung, Vertragsregelungen, langjährige Geschäftsbeziehungen, die Einigung auf branchenspezifische Standards und die Nutzung von Marktpositionen ausüben. Gerade der deutsche Maschinenbau hat hierfür großes Potenzial, denn die Bundesrepublik ist in dreizehn Subsektoren globaler Marktführer und viele Unternehmen bieten enorm spezialisierte Maschinen und Anlagen an. Mit dieser Vormachtstellung haben deutsche Maschinenbauunternehmen großen Einfluss auf dem Weltmarkt. Das trifft auch auf Unternehmen des Mittelstands zu.
Maschinenlieferung an den Bergbau bergen besonders hohes Risiko
Zwei weitere Veröffentlichungen von Germanwatch zeigen, wie sehr der Handel mit Bergbau-Maschinen häufig im Zusammenhang mit hohen Risiken für Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen steht. So lieferte etwa das deutsche Unternehmen Wirtgen Maschinen an Bauxit-Minen in Guinea, die mit der Vertreibung der lokalen Bevölkerung, Landnutzungskonflikten sowie Gesundheitsschäden in Verbindung stehen. Ebenso sind im Kontext der umstrittenen Kupfer-Mine Andina in Chile mehrere europäische Unternehmen beteiligt, darunter SMT Scharf aus Nordrhein-Westfalen. Das Unternehmen lieferte ein Fördersystem zur Erweiterung der Mine, obwohl zu dem Zeitpunkt laute Proteste aufgrund von Umweltproblemen stattfanden.
Europäisches Lieferkettengesetz muss nachgelagerte Lieferketten berücksichtigen
Die Ergebnisse der Studie zeigen: Nachgelagerte Lieferketten spielen nicht nur eine wichtige Rolle zur Einhaltung von Umweltschutz und Menschenrechten, deutsche Marktführer im Maschinenbau haben auch großen Einfluss darauf, diese zu verhindern. Mit Blick auf die anstehenden Trilog-Verhandlungen setzt sich die Zivilgesellschaft daher dafür ein, dass nachgelagerte Wertschöpfungsketten vollständig in das europäische Lieferkettengesetz einbezogen werden – mit einem risikobasierten Ansatz unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Ebenso muss die Definition der in Hochrisikosektoren agierenden Unternehmen überarbeitet werden, so dass auch Unternehmen berücksichtigt werden, deren Produkte und Dienstleistungen erst nach der Herstellung eine Gefährdung für Mensch und Umwelt darstellen – etwa Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus.
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Flagge der Vereinten Nationen, Foto: Wikimedia Commons
UN-Treaty: Arbeit am Abkommensentwurf geht weiter
Karolin Seitz (Global Policy Forum)
Bis zur nächsten Verhandlungsrunde im Herbst entwickelt eine zwischenstaatliche Unterarbeitsgruppe den Entwurf für ein UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten weiter. Damit könnte eine Einigung zwischen den Staaten näher rücken. Das hängt aber vor allem vom Engagement der beteiligten Länder ab.
Um die Weiterarbeit am Abkommensentwurf auch bis zur nächsten UN-Treaty Verhandlungsrunden im Oktober 2023 voranzutreiben, wurde eine Gruppe von Botschafter*innen verschiedener Länder einberufen. Die sogenannte „Friends of the Chair“-Gruppe, bestehend aus Aserbaidschan, Frankreich, Indonesien, Kamerun, Portugal und Uruguay traf sich erstmals im Februar 2023.
Espinosa macht Zugeständnisse an Industrienationen
Als erstes Ergebnis veröffentlichte der ecuadorianische Vorsitzende der UN-Arbeitsgruppe, Cristian Espinosa Cañizares, Leitlinien für die Arbeitsweise der Gruppe. So sollen bei der Bearbeitung des aktuellen Abkommensentwurfs zwar Ziel und Zweck der jeweiligen Artikel beibehalten werden. Der Vorsitzende räumt der „Friends of the Chair“-Gruppe jedoch große Flexibilität für alternative Formulierungsvorschläge ein. Damit kommt Espinosa einigen Staaten wie den USA weit entgegen, die den bisherigen Entwurf grundsätzlich und umfassend kritisiert und sogar einen alternativen Textentwurf gefordert hatten.
Ein weiteres Zugeständnis gegenüber insbesondere Ländern des Globalen Nordens macht der Vorsitzende, indem er in seinen Leitlinien klarstellt, dass das zukünftige Abkommen alle Unternehmen und Unternehmensaktivitäten einbeziehen soll. Einige Länder des Globalen Südens hatten indes gefordert, nur transnationale Konzerne zu adressieren. Die Staaten sollen jedoch bei der nationalen Umsetzung der Regelungen aus dem Abkommen Abstufungen machen können, beispielsweise nach Unternehmensgröße. Diese Praxis wird so auch beim deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und der kommenden EU-Richtlinie angewandt.
Regionale Konsultationen ermöglichen aktive Beteiligung aller Staaten
Die Leitlinien sehen außerdem regionale Konsultationen vor, die zwischen April und Mitte Juni 2023 von den „Friends oft he Chair“ durchgeführt werden sollen. Die Konsultationen sind ausschließlich für Staaten vorgesehen, zivilgesellschaftliche Organisationen und andere Akteursgruppen sind davon ausgeschlossen. Dennoch sind sie ein wichtiger Schritt, um Staaten aktiver in die inhaltliche Textarbeit am Abkommensentwurf einzubinden und so schneller eine Einigung zwischen den Ländern zu erreichen.
Es bleibt zu hoffen, dass sich die Staaten, darunter auch die Bundesregierung und die EU-Mitgliedsstaaten, konstruktiv in die regionalen Konsultationen einbringen und gemeinsam mit Frankreich und Portugal, den beiden EU-vertretenden Mitgliedern in der „Friends of the Chair“-Gruppe, Konsensvorschläge erarbeiten. Ende Juni 2023 trifft sich die „Friends of the Chair“-Gruppe erneut gemeinsam mit dem Vorsitzenden, um über die Ergebnisse der Konsultationen zu berichten. Zusammen mit den Stellungnahmen, die während der letzten Verhandlungsrunde von den Staaten eingebracht wurden, werden sie die Grundlage für einen ergänzten Abkommensentwurf bieten, der Ende Juli 2023 veröffentlicht werden soll.
Ausgang der neunten Verhandlungsrunde ungewiss
Wie die neunte Verhandlungsrunde, die für den 23. bis 27. Oktober 2023 im UN-Menschenrechtsrat in Genf angesetzt ist, verlaufen wird, ist ungewiss. Entscheidend wird sein, zu welchen Ergebnissen die Arbeit der „Friends of the Chair“-Gruppe kommt, insbesondere in Bezug auf die regionalen Konsultationen. Der Trend, dass die Industrienationen sich stärker in die Verhandlungen einbringen, wird sich vermutlich auch bei den Verhandlungen im Oktober 2023 fortsetzen. Schließlich haben die Arbeits- und Sozialminister*innen der G7-Staaten im April 2023 ihr Bekenntnis vom Vorjahr zu verbindlichen internationalen Standards zu Wirtschaft und Menschenrechten erneuert. Ob sich die EU-Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission bis dahin allerdings zur Erteilung eines EU-Verhandlungsmandats durchgerungen haben werden, wird wesentlich vom Fortschritt der Trilog-Verhandlungen über ein EU-Lieferkettengesetz abhängen.
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Sitz des Bundeskartellamts in Bonn, Foto: Bundeskartellamt
Kartellrecht: Chancen auf ungewohntem Terrain
Ulrich Müller (Initiative Konzernmacht beschränken)
Es sind spannende und umkämpfte Zeiten für das Kartellrecht: Das Wirtschaftsministerium will die Befugnisse des Bundeskartellamts erweitern, bis zur Aufspaltung von Unternehmen. Auch die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in das Kartellrecht wird diskutiert.
Als im letzten Jahr die Benzinpreise in die Höhe schossen, schlug Wirtschaftsminister Habeck eine Verschärfung des Kartellrechts vor. Das Bundeskartellamt soll demnach weitreichende Maßnahmen verhängen können. Diese reichen von Vorgaben zum Zugang zu Daten und Schnittstellen, über offene Standards und Vertragsbedingungen bis zur Aufspaltung marktmächtiger Unternehmen. Die Initiative Konzernmacht beschränken fordert eine solche missbrauchsunabhängige Entflechtung seit langem. Auch das CorA-Netzwerk hat sie in ihre Forderungen für diese Legislaturperiode übernommen. Verankert werden soll dies in der elften Reform des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Der Entwurf dafür enthält zudem eine erleichterte Abschöpfung von Gewinnen aus Kartellverstößen und Regeln zur Umsetzung des europäischen Digital Markets Act.
Abgeschwächte Reform zugunsten großer Unternehmen
Die großen Wirtschaftsverbände lehnen die Reformpläne und insbesondere die Entflechtung ab. Die FDP hat die Verschärfung in der Ampel lange blockiert, obwohl FDP-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle früher selbst eine solche Entflechtung vorgeschlagen hatte. Im April verabschiedete das Kabinett endlich eine abgeschwächte Reform. Im Vergleich zum Referentenentwurf werden die Hürden für Entflechtungen erhöht, denn Unternehmen erhalten neue Klagemöglichkeiten und die Vorteilsabschöpfung wird nur teilweise erleichtert. Trotz dieser Kompromisse ist die Reform sinnvoll. Noch ist ihre Durchsetzung allerdings nicht sicher, denn die Unternehmenslobby macht auch im Bundestag weiter Druck. Jetzt kommt es darauf an, dass die Ampel-Fraktionen auch Stimmen aus der Zivilgesellschaft und von kleinen und mittleren Unternehmen zu hören bekommen.
Auf dem Weg zu einem sozialen und ökologischen Wettbewerb?
Gleichzeitig laufen die Vorbereitungen zu einer zwölften Reform des GWB. Diese soll sich unter anderem mit Nachhaltigkeitsaspekten beschäftigen. Ende März erschien eine vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) beauftragte Studie zu “Wettbewerb und Nachhaltigkeit”. Sie stellte 34 verschiedene Reformoptionen dar, wie Nachhaltigkeit im Wettbewerbsrecht aufgegriffen werden kann. Dazu zählen auch progressive Vorschläge. Einer davon ist, das Abwälzen sozialer oder ökologischer Kosten auf die Allgemeinheit sowie die Ausbeutung öffentlicher Güter künftig als Missbrauch von Marktmacht zu fassen. Eine andere Option sieht vor, Nachhaltigkeitserwägungen bei der Fusionskontrolle aufzugreifen oder als außerwettbewerbliche Ziele einzuführen. Leider fehlt in dem Gutachten eine grundsätzlichere Kritik an konzentrierter ökonomischer Macht als Hindernis für eine sozial-ökologische Transformation. Hierfür bräuchte es eine weitergehende Verschärfung der Fusionskontrolle, wie auch eine Analyse der Studie zeigt. CorA und die Initiative Konzernmacht beschränken fordern daher eine Absenkung der Schwellenwerte, ab wann Unternehmen als marktbeherrschend gelten und Fusionen tendenziell zu untersagen sind.
Ausnahmen für Nachhaltigkeitskooperationen
Ein weiteres Thema ist die Freistellung für Nachhaltigkeitskooperationen, d. h. dass Unternehmen bei Nachhaltigkeitsfragen zusammenarbeiten dürfen, ohne dass dies als Verstoß gegen das Kartellrecht gewertet wird. Das kann für Multi-Stakeholder-Initiativen relevant sein. Zugleich bergen solche Ausnahmen die Gefahr von Greenwashing oder der Verhinderung weitergehender gesetzlicher Verpflichtungen. Hier sollte die Zivilgesellschaft ein wachsames Auge haben. Damit solche Ausnahmeregelungen nicht nur von großen Unternehmen genutzt werden, braucht es zudem unterstützende Strukturen wie kartellrechtliche Beratungsstellen für die Zivilgesellschaft und kleine Unternehmen. Welche Optionen letztendlich eine Chance auf politische Realisierung haben, ist offen. Die Ampelregierung sollte hier nicht zu kurz springen und Nachhaltigkeit umfassend in das Kartellrecht integrieren.
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Mit einer Pressemitteilung haben das CorA-Netzwerk und die Initiative Lieferkettengesetz das Inkrafttreten des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) begrüßt. Bis zuletzt hatten Wirtschaftsverbände sowie CDU/CSU eine Verschiebung gefordert. Doch Betroffene in den globalen Lieferketten können nicht länger warten!
CorA hat sich mit einer Stellungnahme an einer Konsultation der Bundesregierung zur öffentlichen Beschaffung beteiligt. Zentrales Anliegen der Vergabetransformation muss es sein, umwelt- und klimabezogene Nachhaltigkeit mit sozialer Nachhaltigkeit und Menschenrechten zusammenzubringen und dabei die gesamte Wertschöpfungskette im Blick zu haben. Verbindliche Vorgaben sind dabei zwingend notwendig, damit Unternehmen Umweltschutz und Menschenrechte einhalten und Vorreiter keine Wettbewerbsnachteile erleiden.
Trotz einiger Schwächen begrüßt das CorA-Netzwerk in einer Stellungnahme den Vorschlag der Europäischen Beratungsgruppe zur Rechnungslegung (European Financial Reporting Advisory Group – EFRAG) für Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (European Sustainability Reporting Standards – ESRS). Einheitliche, verbindliche Vorgaben für die Berichterstattung sind ein längst überfälliger Schritt, der es den Unternehmen, Investoren und der Zivilgesellschaft ermöglicht, einen Überblick über die mit der Geschäftstätigkeit verbundenen Risiken für Menschen, Umwelt und Klima zu bekommen.