Herzlich willkommen zum Newsletter des CorA-Netzwerks!

Nach über drei Jahren haben sich EU-Par­la­ment, Rat und Kom­mis­si­on auf ein eu­ro­päi­sches Lie­fer­ket­ten­ge­setz ge­ei­nigt. Trotz et­li­cher Schwä­chen aus zi­vil­ge­sell­schaft­li­cher Sicht ist dies ein Mei­len­stein für Men­schen­rech­te, Umwelt- und Kli­ma­schutz und ein großer Erfolg der de­mo­kra­ti­schen In­sti­tu­tio­nen. Das sehen auch große Teile der Wirt­schaft so. Doch nun stellt sich die FDP dagegen und will die Bun­des­re­gie­rung zur Ent­hal­tung zwingen, obwohl ihr eigener Jus­tiz­mi­nis­ter Busch­mann die Ver­hand­lun­gen ent­schei­dend mit­ge­prägt hat.

Dabei zeigt sich bereits ein Jahr nach In­kraft­tre­ten des deut­schen Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­g­e­s­e­t­z­es (LkSG), dass eine ver­bind­li­che Vor­schrift für die Ein­hal­tung von Men­schen­rech­ten und Um­welt­schutz Wirkung ent­fal­tet.

Wie die deut­sche Au­ßen­wirt­schafts­för­de­rung dazu bei­tra­gen kann, Men­schen­rech­te und Kli­ma­schutz noch mehr zu stärken, lesen Sie in diesem News­let­ter. Genauso spielen Be­richts­pflich­ten und frei­wil­li­ge Nach­hal­tig­keits­stan­dards eine Rolle, damit Un­ter­neh­men ihre Sorg­falts­pflich­ten ein­hal­ten.

Auch die Un­ter­neh­mens­mit­glie­der des Forums Nach­hal­ti­ger Kakao (FNK) haben sich frei­wil­lig Ziele für men­schen­wür­di­ge­re Ar­beits­be­din­gun­gen und faire Be­zah­lung von Pro­du­zent*innen gesetzt. Eine Ein­schät­zung der bis­he­ri­gen Maß­nah­men des FNK können Sie hier nach­le­sen.

Au­ßer­dem gibt es neue Ent­wick­lun­gen beim Kar­tell- und Ver­ga­be­recht, sowie bei den Ver­hand­lun­gen zum UN-Trea­ty und der EU-Ver­ord­nung zum Verbot von Pro­duk­ten mit Zwangs­ar­beit.

Wir wün­schen eine an­re­gen­de Lektüre!

Heike Dril­lisch  

(Co­rA-Ko­or­di­na­to­rin)

 

——————————–

Zum Download als PDF.

 

Foto: Paul Jovis Wagner

EU-Lieferkettengesetz vor der finalen Abstimmung

Heike Dril­lisch, Co­rA-Netz­werk für Un­ter­neh­mens­ver­ant­wor­tung

Am Morgen des 14.12.2023 stand der Deal: Par­la­ment, Rat und Kom­mis­si­on ei­nig­ten sich über das eu­ro­päi­sche Lie­fer­ket­ten­ge­setz (CSDDD). Ein wich­ti­ger Mei­len­stein, obwohl der Kom­pro­miss deut­lich hinter den Er­war­tun­gen der Zi­vil­ge­sell­schaft zu­rück­blieb. Doch FDP und Wirt­schafts­ver­bän­de ver­su­chen in letzter Minute, den eu­ro­päi­schen Prozess zu tor­pe­die­ren.

Über drei Jahre sind ver­gan­gen seit der An­kün­di­gung des li­be­ra­len Jus­tiz­mi­nis­ters Reyn­ders, einen Vor­schlag für eine EU-Richt­li­nie über die Sorg­falts­pflich­ten von Un­ter­neh­men im Hin­blick auf Nach­hal­tig­keit (Cor­po­ra­te Sustaina­bi­li­ty Due Di­li­gence Di­rec­tive, CSDDD) vor­zu­le­gen. Auf die Ver­öf­fent­li­chung dieses Vor­schlags im Februar 2022 folgten in­ten­si­ve Ver­hand­lun­gen des Eu­ro­pa­par­la­ments, des EU-Ra­tes und schließ­lich im Trilog zwi­schen Par­la­ment, Rat und Kom­mis­si­on.

Wegweisender Kompromiss für Menschenrechte, Umwelt- und Klimaschutz

Die schließ­lich er­folg­te Einigung legt die Pflich­ten großer Un­ter­neh­men in Bezug auf Men­schen­rech­te und Umwelt in der „Kette ihrer Ak­ti­vi­tä­ten“ fest. Dies umfasst ins­be­son­de­re die vor­ge­la­ger­te Lie­fer­ket­te, aber auch zum Teil Ver­trieb und Re­cy­cling. Es soll sowohl eine be­hörd­li­che Durch­set­zung als auch eine zi­vil­recht­li­che Haftung für be­stimm­te Rechts­ver­let­zun­gen geben. Un­ter­neh­men müssen einen Plan auf­stel­len, um ihr Ge­schäfts­mo­dell und ihre Stra­te­gie mit dem Pariser Kli­ma­schutz­über­ein­kom­men ver­ein­bar zu machen. Al­ler­dings soll die Um­set­zung dieses Plans nicht über­prüft werden.

Die Richt­li­nie soll für große Un­ter­neh­men mit mehr als 500 Be­schäf­tig­ten und einem welt­wei­ten Net­to­um­satz von über 150 Mil­lio­nen Euro gelten, zu einem spä­te­ren Zeit­punkt für Un­ter­neh­men ab 250 Mit­ar­bei­ten­den mit 40 Mil­lio­nen Euro Umsatz in be­stimm­ten Ri­si­ko­bran­chen. Auch große Un­ter­neh­men au­ßer­halb der EU sind erfasst. Zwar legt die Größe der er­fass­ten Un­ter­neh­men nahe, dass der An­wen­dungs­be­reich deut­lich breiter ge­gen­über dem deut­schen Lie­fer­ket­ten­ge­setz aus­ge­legt ist, welches Un­ter­neh­men mit mehr als 1.000 Mit­ar­bei­ten­den ein­be­zieht. Durch die Um­satz­schwel­le wird sich die Zahl der er­fass­ten Un­ter­neh­men aber nicht we­sent­lich ändern. Fi­nanz­dienst­leis­tun­gen sind bislang von der Re­ge­lung aus­ge­nom­men, le­dig­lich eine Über­prü­fungs­klau­sel für eine mög­li­che künf­ti­ge Ein­be­zie­hung schaff­te es in den Kom­pro­miss.

FDP untergräbt demokratischen Prozess und Glaubwürdigkeit Deutschlands in der EU

Trotz der Schwä­chen, ins­be­son­de­re in den Be­rei­chen Kli­ma­schutz und Fi­nanz­sek­tor, stößt der Kom­pro­miss in der Zi­vil­ge­sell­schaft auf breite Zustimmung, denn es stärkt den Schutz von Men­schen­rech­ten, Umwelt- und Kli­ma­schutz in der glo­ba­len Wirt­schaft. Auch die liberale Renew-Fraktion und der zu­stän­di­ge Berichterstatter der konservativen EVP-Fraktion be­grüß­ten den Kom­pro­miss.

Doch mit einem Präsidiumsbeschluss vom 15. Januar 2024 stellt die FDP sich gegen den unter Be­tei­li­gung so zahl­rei­cher Akteure aus­ge­han­del­ten Kom­pro­miss und will die Bun­des­re­gie­rung zu einer Ent­hal­tung zwingen. Damit stellt sie sich – nicht zum ersten Mal – gegen die eigene Frak­ti­on im Eu­ro­päi­schen Par­la­ment. Auch Jus­tiz­mi­nis­ter Busch­mann stellt sich nun, ge­mein­sam mit Fi­nanz­mi­nis­ter Lindner, gegen die Ei­ni­gung. Dabei hatte er die Ver­hand­lun­gen mit­ge­tra­gen und auch mit­ge­prägt, wie ein Briefing der In­itia­ti­ve Lie­fer­ket­ten­ge­setz belegt. Wie von der FDP ge­wünscht, enthält der ak­tu­el­le Kom­pro­miss weder Sank­tio­nen bei Nicht­ein­hal­tung der Kli­ma­p­lä­ne noch eine ver­bind­li­che Be­rück­sich­ti­gung von Nach­hal­tig­keits­as­pek­ten bei der Ver­gü­tung von Un­ter­neh­mens­lei­tun­gen. Die vor­ge­se­he­ne Haf­tungs­re­ge­lung ist eng an das deut­sche Zi­vil­recht an­ge­lehnt. Unterm Strich geht die Ei­ni­gung der EU-In­sti­tu­tio­nen nicht über die Po­si­ti­on der Bun­des­re­gie­rung in den Tri­log-Ver­hand­lun­gen hinaus. Dass die FDP den Kom­pro­miss nun nicht mit­tra­gen will und die Ei­ni­gung durch Falschbehauptungen dis­kre­di­tiert, schadet der De­mo­kra­tie und un­ter­gräbt die Glaub­wür­dig­keit der ge­sam­ten Bun­des­re­gie­rung in der EU.

Wirtschaft und Wissenschaftler*innen für CSDDD

Der Wi­der­stand der FDP dürfte auf die Lob­by­kam­pa­gne der großen Wirt­schafts­ver­bän­de zu­rück­ge­hen, die mit zahlreichen Mythen Stim­mung gegen die CSDDD machen. Doch die Ver­bän­de spre­chen schon lange nicht mehr für die gesamte Wirt­schaft. Zahlreiche Unternehmen spre­chen sich deut­lich für das EU-Lie­fer­ket­ten­ge­setz aus, von Tchibo und Vaude über IKEA, ALDI Süd, Primark und Epson bis zu Erics­son. Der füh­ren­de nie­der­län­di­sche Wirt­schafts­dach­ver­band VNO-NCW be­grüß­te die Tri­log-Ei­ni­gung als „eine gute Nach­richt“ und einen „Erd­rutsch­sieg für die Un­ter­neh­mer“. Eine re­prä­sen­ta­ti­ve Umfrage des Handelsblatts ergab kürz­lich, dass nur sieben Prozent der 2.000 be­frag­ten Be­trie­be eine Ver­pflich­tung ab­leh­nen, Men­schen­rech­te und Um­welt­stan­dards in ihren Lie­fer­ket­ten zu achten. Die große Mehr­heit ist sogar dafür. Laut einer im aktuellen „Spiegel“ veröffentlichten Umfrage er­war­ten 71 Prozent der be­frag­ten Un­ter­neh­men po­si­ti­ve bis sehr po­si­ti­ve Wir­kun­gen des Ge­set­zes. Auch Wissenschaftler*innen, Prominente, die Initiative Christen in Europa und viele weitere Akteur*innen spre­chen sich für das EU-Lie­fer­ket­ten­ge­setz aus.

Führung des Kanzlers gefordert

Vor diesem Hin­ter­grund ist nun die Richt­li­ni­en­kom­pe­tenz von Kanzler Scholz ge­for­dert. Er muss die Irr­fahrt der FDP stoppen, sich an die Seite eines Groß­teils der Wirt­schaft, der Kirchen, Ge­werk­schaf­ten und Zi­vil­ge­sell­schaft stellen und bei der Ab­stim­mung über den finalen Text in Brüssel mit Ja stimmen. Sollte das mo­men­tan größte Gesetz im Bereich Men­schen­rech­te und Kli­ma­schutz an der Ent­hal­tung einer Re­gie­rung schei­tern, an der SPD und Grüne be­tei­ligt sind, fiele dies auf die gesamte Bun­des­re­gie­rung zurück und wäre ein Skandal für alle Be­tei­lig­ten.

——————————–

Foto: Ugandan Crafts/ uns­plash.com

EU-Zwangsarbeitsverordnung: Parlament schlägt entscheidende Änderungen vor

Bettina Braun, Deut­sches In­sti­tut für Men­schen­rech­te

Die EU will in Zwangs­ar­beit her­ge­stell­te Pro­duk­te auf dem EU-Markt ver­bie­ten. Nach ent­schei­den­den Än­de­rungs­vor­schlä­gen von EU-Par­la­ment und Rat ist der Ver­ord­nungs­ent­wurf nun in Tri­log­ver­hand­lun­gen.

Nach letzten Schät­zun­gen der In­ter­na­tio­na­len Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on (ILO) be­fin­den sich global mehr als 21 Mil­lio­nen Men­schen in Zwangs­ar­beit. Die von ihnen her­ge­stell­ten Pro­duk­te landen durch globale Lie­fer­ket­ten auch auf dem eu­ro­päi­schen Markt. Um das künftig zu ver­hin­dern, ar­bei­tet die EU seit 2022 an einer Ver­ord­nung, die Pro­duk­te auf dem EU-Markt ver­bie­ten würde, wenn diese unter Zwangs­ar­beit her­ge­stellt wurden. Nach der Po­si­tio­nie­rung des Par­la­men­tes im Oktober 2023 er­ziel­te die bel­gi­sche Rats­prä­si­dent­schaft eine Ei­ni­gung Ende Januar 2024. Ziel ist eine po­li­ti­sche Ei­ni­gung im Trilog noch in dieser Le­gis­la­tur­pe­ri­ode.

Produktverbote zeigen Wirkung

In den letzten Jahren sind Pro­dukt­ver­bo­te in Zu­sam­men­hang mit Zwangs­ar­beit global ver­stärkt in den Fokus gerückt. In den USA besteht bei­spiels­wei­se bereits seit 1930 ein Im­port­ver­bot von in Zwangs­ar­beit her­ge­stell­ten Pro­duk­ten, welches seit 2016 ver­mehrt vom Zoll durch­ge­setzt wird. Dies hat nicht nur zu kon­kre­ten Ver­bes­se­run­gen im Ein­zel­fall geführt, sondern war auch Ka­ta­ly­sa­tor für Ver­än­de­rung in be­son­ders be­trof­fe­nen Sek­to­ren und Re­gio­nen ins­ge­samt.

Die EU will nun mit einem eigenen Pro­dukt­ver­bot nach­zie­hen. Nach dem Vor­schlag der Kom­mis­si­on würde ein solches Verbot alle Pro­duk­te er­fas­sen, bei welchen in der Ge­win­nung, Ernte, Er­zeu­gung oder Her­stel­lung Zwangs­ar­beit ein­ge­setzt wurde. Das Verbot gälte un­ab­hän­gig davon, ob die Zwangs­ar­beit in­ner­halb oder au­ßer­halb der EU statt­fand. Be­trof­fe­ne Pro­duk­te dürften dann weder in den Verkehr ge­bracht werden, noch im­por­tiert oder ex­por­tiert werden.

Parlament und Rat wollen den Verordnungsentwurf entscheidend verändern

Im Oktober 2023 haben die zu­stän­di­gen Aus­schüs­se des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments – die Aus­schüs­se für in­ter­na­tio­na­len Handel (INTA) und Bin­nen­markt (IMCO) – über einen Bericht über den Ver­ord­nungs­vor­schlag ab­ge­stimmt, der das Ver­hand­lungs­man­dat des Par­la­ments im Trilog bilden wird. Darin schlu­gen die Aus­schüs­se ent­schei­den­de Ver­bes­se­run­gen vor:

  • Auf­nah­me einer De­fi­ni­ti­on von und Anreize für Wie­der­gut­ma­chung – zum Bei­spiel indem die durch­set­zen­den Be­hör­den im Un­ter­su­chungs­ver­fah­ren nach bereits in Gang ge­brach­ten Wie­der­gut­ma­chungs­maß­nah­men fragen und indem eine Auf­he­bung einer Ver­bots­ent­schei­dung von Wie­der­gut­ma­chungs­maß­nah­men ab­hän­gig gemacht wird;
  • Be­weis­last­um­kehr für solche Fälle, in denen die Kom­mis­si­on ein hohes Risiko staat­li­cher Zwangs­ar­beit iden­ti­fi­ziert;
  • eine stär­ke­re Rolle für zi­vil­ge­sell­schaft­li­che Or­ga­ni­sa­tio­nen;
  • eine Durch­set­zungs­funk­ti­on der Kom­mis­si­on neben den 27 Durch­set­zungs­be­hör­den der Mit­glied­staa­ten.

Auch nach der Rats­po­si­tio­nie­rung hätte die Kom­mis­si­on eine stär­ke­re Rolle – so würden über einen Single In­for­ma­ti­on Sub­mis­si­on Point Be­schwer­den bei ihr ein­ge­hen, welche sie bei einem Uni­ons­in­ter­es­se selbst ver­fol­gen oder sonst an na­tio­na­le Be­hör­den wei­ter­lei­ten kann.

Die EU-Ver­ord­nung hat das Po­ten­zi­al, ein wich­ti­ges Mo­men­tum für kon­kre­te und weit­rei­chen­de Ver­än­de­run­gen auf­zu­bau­en. Dafür sind Ele­men­te aus beiden Po­si­tio­nen wichtig – eine ko­hä­ren­te Um­set­zung ge­lei­tet durch die Kom­mis­si­on, aus­ge­rich­tet auf Wie­der­gut­ma­chungs­maß­nah­men unter Ein­bin­dung von Zi­vil­ge­sell­schaft und un­ter­stützt durch an­ge­mes­se­ne Be­weis­re­ge­lun­gen.

——————————————-

Foto: Dominik Luck­mann/ uns­plash.com

Ein Jahr Lieferkettengesetz: Zivilgesellschaft sieht erste positive Wirkungen

Heike Dril­lisch, Co­rA-Netz­werk für Un­ter­neh­mens­ver­ant­wor­tung & An­na­bell Brüg­ge­mann, ECCHR

Nach einem Jahr Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­g­e­s­e­tz (LkSG) sehen zi­vil­ge­sell­schaft­li­che Netz­wer­ke erste po­si­ti­ve Aus­wir­kun­gen: Un­ter­neh­men in­ten­si­vie­ren ihr men­schen­recht­li­ches Ri­si­ko­ma­nage­ment. Be­trof­fe­ne, Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen und Ge­werk­schaf­ten be­gin­nen, den Be­schwer­de­me­cha­nis­mus zu nutzen. Es gibt aber auch Ver­bes­se­rungs­be­darf.

Seit dem 1.1.2023 gelten mit dem Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­g­e­s­e­tz (LkSG) erst­mals ver­bind­li­che Pflich­ten zur Achtung von Men­schen­rech­ten und Um­welt­stan­dards in den Lie­fer­ket­ten deut­scher Un­ter­neh­men mit mehr als 3.000 Mit­ar­bei­ten­den. Seit 2024 werden auch Un­ter­neh­men ab 1.000 Mit­ar­bei­ter*innen vom LkSG erfasst. Das Co­rA-Netz­werk, die In­itia­ti­ve Lie­fer­ket­ten­ge­setz und die Kam­pa­gne für Saubere Klei­dung haben dies zum Anlass ge­nom­men, mit einer Pressemitteilung eine erste Bilanz zu ziehen.

Unternehmen schenken Sorgfaltspflichten mehr Beachtung und zeigen erhöhte Verhandlungsbereitschaft

Für eine um­fas­sen­de Be­wer­tung der Aus­wir­kun­gen des LkSG ist es zwar noch zu früh. Dennoch kommen die Netz­wer­ke zu dem Schluss, dass das Gesetz bereits wich­ti­ge Hebel für Ver­än­de­rung mit sich ge­bracht hat. Viele Un­ter­neh­men ar­bei­ten seit Ein­füh­rung des LkSG daran, ihre Sorg­falts­pflich­ten in ihren Lie­fer­ket­ten um­zu­set­zen. Ins­be­son­de­re mit Blick auf die Ein­rich­tung und Nutzung un­ter­neh­mens­in­ter­ner Be­schwer­de­me­cha­nis­men zeigen sich bereits greif­ba­re Fort­schrit­te: Nach ersten Be­schwer­den von Be­trof­fe­nen und zi­vil­ge­sell­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen setzten sich ein­zel­ne Un­ter­neh­men zum ersten Mal mit Ver­tre­ter*innen lokaler Ge­werk­schaf­ten zu­sam­men, um kon­kre­te Prä­ven­ti­ons- und Ab­hil­fe­maß­nah­men aus­zu­han­deln. Hier zeigt das Gesetz bereits Wirkung und stärkt die Po­si­ti­on der Be­trof­fe­nen, NGOs und Ge­werk­schaf­ten im Dialog mit Un­ter­neh­men. Ent­schei­dend ist dabei wei­ter­hin, dass Un­ter­neh­men ihre Be­schwer­de­ver­fah­ren bei Ar­bei­ter*innen in der Lie­fer­ket­te wirk­lich bekannt machen und Zu­gäng­lich­keit und Ver­trau­en in die Nutzung auf­bau­en.

BAFA nimmt Tätigkeit auf

Auch das Bun­des­amt für Wirt­schaft und Aus­fuhr­kon­trol­le (BAFA) hat seine Tä­tig­keit als Kon­troll­be­hör­de auf­ge­nom­men und neben der Be­ar­bei­tung erster ein­ge­hen­der Be­schwer­den ins­be­son­de­re über­prüft, ob Un­ter­neh­men eine an­ge­mes­se­ne Struk­tur zur Be­ach­tung der Sorg­falts­pflich­ten und einen Be­schwer­de­me­cha­nis­mus ein­ge­rich­tet haben. Darüber hinaus hat es zahl­rei­che Hil­fe­stel­lun­gen für Un­ter­neh­men ver­öf­fent­licht. Die Netz­wer­ke be­grü­ßen, dass das BAFA eine Hand­rei­chung zur Zu­sam­men­ar­beit von Un­ter­neh­men in der Lie­fer­ket­te er­stellt hat, in der es klar­ge­stellt hat, dass die Sorg­falts­pflich­ten von den großen Un­ter­neh­men nicht einfach an Zu­lie­fe­rer wei­ter­ge­reicht oder aus­ge­la­gert werden dürfen. Statt­des­sen müssen Un­ter­neh­men die Risiken part­ner­schaft­lich angehen und ihre eigenen Ge­schäfts- und Be­schaf­fungs­prak­ti­ken an­pas­sen. Diese Klar­stel­lung ist wichtig, da ein­zel­ne Un­ter­neh­men und Wirt­schafts­ver­bän­de in der Ver­gan­gen­heit darüber klagten, dass kleine und mitt­le­re Un­ter­neh­men von Fra­ge­bö­gen zu ihren Sorg­falts­pflich­ten über­flu­tet würden. Dies ent­spricht jedoch nicht dem Sinn des Ge­set­zes. Schutz­wir­kung ent­fal­tet es dann, wenn die schwer­wie­gends­ten Risiken an­ge­gan­gen werden und nicht, wenn nach dem Gieß­kan­nen­prin­zip alle di­rek­ten Zu­lie­fe­rer ana­ly­siert werden.

Kritik: BAFA muss Betroffene stärker einbinden

Trotz der grund­sätz­lich po­si­ti­ven Ein­schät­zung gibt es noch großen Ver­bes­se­rungs­be­darf mit Blick auf die Um­set­zung des LkSG. Or­ga­ni­sa­tio­nen aus dem Co­rA-Netz­werk und seinen Part­ner-Netz­wer­ken reich­ten ge­mein­sam mit Be­trof­fe­nen erste Be­schwer­den bei der Kon­troll­be­hör­de ein. Hier zeigt sich zwar die Be­reit­schaft des BAFA, die Hürden für ein­ge­hen­de Be­schwer­den nicht zu hoch an­zu­set­zen und diesen dann auch ernst­haft nach­zu­ge­hen. Auf deut­li­che Kritik stößt jedoch die bisher sehr enge Aus­le­gung des Ge­set­zes mit Blick auf die Be­tei­li­gung der An­trag­stel­ler*innen am wei­te­ren Ver­fah­ren.  So er­hal­ten Be­trof­fe­ne wenig Ein­blick in den Fort­gang des Ver­fah­rens, sobald die Behörde ent­schie­den hat, tätig zu werden. Be­trof­fe­ne sind aber nicht nur Expert*innen für die Lage vor Ort, sondern auch für die Frage, was im Ein­zel­fall an­ge­mes­se­ne und wirk­sa­me Maß­nah­men sind, um zum Bei­spiel die Ar­beits­be­din­gun­gen nach­hal­tig zu ver­bes­sern. Sie müssen daher um­fas­send in die Pro­zes­se zur Be­ar­bei­tung der Be­schwer­den ein­ge­bun­den werden. An­dern­falls werden Be­trof­fe­ne wenig Sinn darin sehen, sich mit einer Be­schwer­de an das BAFA zu wenden, zumal sie damit vor Ort unter Um­stän­den ein hohes Risiko von Re­pres­sio­nen ein­ge­hen. Das BAFA sollte die Be­tei­li­gung und In­for­ma­ti­on von Be­trof­fe­nen an dem Ver­fah­ren daher in Zukunft un­be­dingt aus­bau­en. Nur so kann Ver­trau­en in den Me­cha­nis­mus ge­schaf­fen und damit seine ef­fek­ti­ve Nutzung für die Zukunft si­cher­ge­stellt werden.

——————————————-

Foto: Markus Spiske / uns­plash.com

Von Berichtspflichten und „Bürokratiemonstern“

Heike Dril­lisch, Co­rA-Netz­werk für Un­ter­neh­mens­ver­ant­wor­tung

Be­richts­pflich­ten sind ein Kern­ele­ment der Sorg­falts­pflich­ten, damit Un­ter­neh­men ihre Ri­si­ko­ana­ly­sen und er­grif­fe­nen Maß­nah­men trans­pa­rent dar­stel­len. Immer wieder werden sie jedoch als „Bü­ro­kra­tie­mons­ter“ ge­brand­markt und ihre Ab­schaf­fung ge­for­dert – zu Unrecht.

Nicht umsonst weisen die UN-Leit­prin­zi­pi­en für Wirt­schaft und Men­schen­rech­te (UNLP) den Be­richts­pflich­ten große Be­deu­tung zu. Trans­pa­renz ist un­er­läss­lich, damit Be­trof­fe­ne die un­ter­neh­me­ri­schen Aus­sa­gen über Ein­hal­tung von Sorg­falts­pflich­ten über­prü­fen und durch Hin­wei­se er­gän­zen können. Zudem wollen auch immer mehr Ver­brau­cher*innen wissen, wie die Pro­duk­te, die sie kaufen, her­ge­stellt wurden, um ihr Ein­kaufs­ver­hal­ten ent­spre­chend aus­zu­rich­ten. Das deut­sche Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­g­e­s­e­tz (LkSG) hat dies daher auf­ge­grif­fen und ver­langt von Un­ter­neh­men einen jähr­li­chen Bericht über deren Ri­si­ko­ana­ly­sen und er­grif­fe­ne Maß­nah­men. Das Bun­des­amt für Wirt­schaft und Aus­fuhr­kon­trol­le (BAFA) hat auf seiner Website eine ent­spre­chen­de Be­richts­mas­ke auf­ge­baut, durch die die Be­rich­te ver­gleich­bar werden. Erst­ma­lig sind die Un­ter­neh­mens­be­rich­te zum 1. Juni 2024 fällig.

Die Mär vom „Bürokratiemonster Berichtspflicht“

Zahl­rei­che Un­ter­neh­mens­ver­tre­ter*innen haben bereits betont, dass die Be­rich­te keine Über­for­de­rung dar­stel­len, sofern ein Un­ter­neh­men seinen Sorg­falts­pflich­ten nach­ge­kom­men ist. Dennoch setzen die Wirt­schafts­ver­bän­de alles daran, die Be­richts­pflich­ten in ein schlech­tes Licht zu rücken und als reine Bü­ro­kra­tie ab­zu­stem­peln. In Hin­blick auf das kom­men­de EU-Lie­fer­ket­ten­ge­setz wird zudem das Bild der dop­pel­ten Be­richts­pflich­ten bemüht.

Bei De­bat­ten über die an­geb­li­chen bü­ro­kra­ti­schen Lasten durch Sorg­falts­pflich­ten­ge­set­ze wird jedoch allzu oft der fun­da­men­ta­le Zweck des LkSG außer Acht ge­las­sen: Ziel des Ge­set­zes ist, Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen und Um­welt­schä­den durch deut­sche Un­ter­neh­men in glo­ba­len Lie­fer­ket­ten zu re­du­zie­ren. Bericht zu er­stat­ten, wie und mit welchen Er­geb­nis­sen ein Un­ter­neh­men Risiken in seinen Wert­schöp­fungs­ket­ten ana­ly­siert hat und welche Maß­nah­men es er­grif­fen hat, um diesen Risiken zu be­geg­nen, ist wich­ti­ger Be­stand­teil der Sorg­falts­pflich­ten.

Die europäische Berichterstattungs-Richtlinie CSRD

In der Tat hat die EU schon 2022 die EU-Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) be­schlos­sen. Sie soll die Re­chen­schafts­pflicht eu­ro­päi­scher Un­ter­neh­men über Nach­hal­tig­keits­as­pek­te erhöhen und ver­bind­li­che Be­richts­stan­dards auf Ebene der EU ein­füh­ren. Anders als das LkSG schreibt die CSRD aber keine un­ter­neh­me­ri­schen Maß­nah­men vor und sie ver­langt nicht, dass Un­ter­neh­men darüber be­rich­ten sollen, wie sie we­sent­li­che Aus­wir­kun­gen und Risiken aus der Wert­schöp­fungs­ket­te iden­ti­fi­zie­ren und be­wer­ten. Von der CSRD be­trof­fen sind große Un­ter­neh­men und ka­pi­tal­markt­ori­en­tie­re kleine und mitt­le­re Un­ter­neh­men (KMU) ab 250 Be­schäf­tig­te. Erste große Un­ter­neh­men müssen erst­ma­lig über Ge­schäfts­jah­re ab 1.1.2024 be­rich­ten; für alle anderen gelten zum Teil lange Über­gangs­fris­ten. Bis zum Sommer 2024 muss die CSRD in na­tio­na­les Recht um­ge­setzt werden. Das eu­ro­päi­sche Lie­fer­ket­ten­ge­setz CSDDD sieht, anders als von Wirt­schafts­ver­bän­den oft be­haup­tet, dagegen keine um­fang­rei­chen neuen Be­richts­pflich­ten vor, da sie dafür auf die CSRD ver­weist und nur die­je­ni­gen Un­ter­neh­men, die davon nicht erfasst sind, ein zu­sätz­li­ches State­ment abgeben sollen. Über Kli­ma­schutz­maß­nah­men müssen Un­ter­neh­men gemäß CSRD sowieso schon be­rich­ten.

Von „dop­pel­ten“ Be­richts­pflich­ten zu spre­chen, ist trotz der par­al­le­len Ent­ste­hung von CSRD und LkSG-Be­richts­pflich­ten ir­re­füh­rend. Denn es geht bei beiden Vor­schrif­ten weit­ge­hend um die­sel­ben Inhalte: Men­schen­rechts- und Um­welt­schutz in den Lie­fer­ket­ten. Die von der EU zum Teil schon ent­wi­ckel­ten, zum Teil noch in Vor­be­rei­tung be­find­li­chen In­di­ka­to­ren für die Be­rich­te decken sich in weiten Teilen mit den An­for­de­run­gen des LkSG. Einige zu­sätz­li­che Fragen des LkSG-Fra­gen­ka­ta­logs sind al­ler­dings zentral für eine sinn­vol­le Über­prü­fung der Stra­te­gi­en und Maß­nah­men der Un­ter­neh­men.

Bundesregierung gefragt: Angleichung ohne Abschwächung der Berichtspflicht

In einem Statement haben das Co­rA-Netz­werk und die In­itia­ti­ve Lie­fer­ket­ten­ge­setz wich­ti­ge Un­ter­schie­de und Ge­mein­sam­kei­ten zwi­schen der CSRD und der LkSG-Be­richts­pflicht her­aus­ge­stellt. Sie kommen zu dem Schluss, dass dort, wo es Dop­pe­lun­gen ohne zu­sätz­li­chen Nutzen gibt, die Bun­des­re­gie­rung eine prak­ti­ka­ble Lösung finden sollte. Dabei darf es aber nicht zu einer Auf­wei­chung der Be­richts­pflich­ten kommen. Denn die Be­rich­te über das Ri­si­ko­ma­nage­ment und er­grif­fe­ne Maß­nah­men sind keine unnütze Bü­ro­kra­tie, sondern we­sent­lich, um zu über­prü­fen, ob Un­ter­neh­men an­ge­mes­sen ihrer Sorg­falts­pflicht nach­kom­men. Sie ab­zu­schwä­chen wäre sowohl für den Schutz der Be­trof­fe­nen kon­tra­pro­duk­tiv als auch eine Ge­ring­schät­zung aller Un­ter­neh­men, die bereits nach dem LkSG aktiv ge­wor­den sind.

——————————–

Foto: freepik

Freiwillige Nachhaltigkeitsstandards: NGOs veröffentlichen Papier zu Siegeln und Zertifizierungen im Kontext des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes

Felix Roll, Werk­statt Öko­no­mie

Um ihren Sorg­falts­pflich­ten im Sinne des deut­schen Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­g­e­s­e­t­z­es nach­zu­kom­men, nutzen viele Un­ter­neh­men Siegel und Zer­ti­fi­zie­run­gen. In einem neuen Papier zeigen zi­vil­ge­sell­schaft­li­che Or­ga­ni­sa­tio­nen, welche Kri­te­ri­en zur Be­wer­tung frei­wil­li­ger Nach­hal­tig­keits­stan­dards wichtig sind.

Der Damm einer Ei­sen­erz­mi­ne nahe Bruma­d­in­ho in Bra­si­li­en bricht zu­sam­men – nur vier Monate, nachdem TÜV Süd dessen Sta­bi­li­tät zer­ti­fi­zier­te. 272 Men­schen kommen dabei ums Leben. In Sri Lanka und Ghana werden auf Tee- und Ka­kao­plan­ta­gen Zwangs­ar­beit und Hun­ger­löh­ne fest­ge­stellt – obwohl sie von Fair­tra­de, Rain­fo­rest Al­li­an­ce und UTZ zer­ti­fi­ziert wurden. Es sind Bei­spie­le wie diese, die frei­wil­li­ge Nach­hal­tig­keits­stan­dards bei der Um­set­zung des deut­schen Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­g­e­s­e­t­z­es (LkSG) in Frage stellen. CorA, das Forum Men­schen­rech­te, die In­itia­ti­ve Lie­fer­ket­ten­ge­setz und VENRO haben sich solche Stan­dards genauer an­ge­se­hen und zeigen in ihrem neuen Dis­kus­si­onpa­pier, welche Kri­te­ri­en sie er­fül­len müssen, um die Ein­hal­tung un­ter­neh­me­ri­sche Sorg­falts­pflich­ten zu un­ter­stüt­zen.

Positive Effekte von Standards überschaubar

Eine Viel­zahl von Nach­hal­tig­keits­stan­dards bieten Zer­ti­fi­zie­run­gen für nahezu alle Aspekte von Lie­fer­ket­ten an. Dabei reicht die Band­brei­te von ein­zel­nen Pro­dukt­tests bis hin zu mehr­jäh­ri­gen Ent­wick­lungs­pro­gram­men. Diese Zer­ti­fi­zie­run­gen werden von Un­ter­neh­men auch genutzt, um Teile ihrer Sorg­falts­pflich­ten zu er­fül­len. Doch es gibt Zweifel an ihrem Nutzen. Das ge­mein­sa­me Dis­kus­si­ons­pa­pier der Netz­wer­ke hat die Grenzen ak­tu­el­ler Siegel und Zer­ti­fi­zie­run­gen ana­ly­siert. Das Er­geb­nis ist er­nüch­ternd: Die meisten Stan­dards weisen gra­vie­ren­de struk­tu­rel­le Mängel auf und wirken sich kaum auf ele­men­ta­re, aber eher un­sicht­ba­re Schutz­gü­ter aus, wie etwa das Recht auf Ver­ei­ni­gungs­frei­heit. Au­ßer­dem deckt kein Stan­dard alle re­le­van­ten Aspekte der Sorg­falts­pflich­ten ab. Siegel und Zer­ti­fi­zie­run­gen können also nur punk­tu­ell einen Beitrag zu Schutz­gü­tern, Lie­fer­ket­ten oder Sorg­falts­pflich­ten leisten. Klar ist hierbei auch, dass die Sorg­falts­pflich­ten immer in der Ver­ant­wor­tung der Un­ter­neh­men bleiben und nicht an Stan­dards wei­ter­ge­ge­ben werden können.

Es braucht klare und anspruchsvolle Kriterien

Das ge­mein­sa­me Dis­kus­si­ons­pa­pier der Netz­wer­ke zeigt nicht nur die Grenzen ak­tu­el­ler Siegel und Zer­ti­fi­zie­run­gen auf, sondern schlägt auch konkret Kri­te­ri­en vor, um Stan­dards an­ge­mes­sen be­wer­ten zu können. Diese be­trach­ten die grund­le­gen­de Eignung, das An­wen­dungs­ge­biet und die Wirkung von Stan­dards. Es wird also dar­ge­legt, wie und unter welchen Um­stän­den Stan­dards ein­ge­setzt und welche Er­war­tun­gen an sie ge­stellt werden können. Die im Papier for­mu­lier­ten Kri­te­ri­en können Un­ter­neh­men und ins­be­son­de­re dem Bun­des­amt für Wirt­schaft und Aus­fuhr­kon­trol­le (BAFA) als Ori­en­tie­rung dienen, um den Beitrag von Stan­dards zur Ge­set­zes­ein­hal­tung zu be­wer­ten. So legt das Papier etwa dar, dass Stan­dard­sys­te­me klar nach­wei­sen müssen, auf welche LkSG-An­for­de­run­gen sie ein­zah­len können. Sie müssen trans­pa­rent und nach­voll­zieh­bar auf­zei­gen, wie sie die An­for­de­run­gen um­set­zen und über­prü­fen. Dabei müssen die Ur­sa­chen und Wech­sel­be­zie­hun­gen von Rechts­ver­let­zun­gen klar adres­siert und somit auch exis­tenz­si­chern­de Löhne und faire Ein­kaufs­prak­ti­ken in den Blick ge­nom­men werden. Au­ßer­dem braucht es klare Vor­ga­ben und ge­eig­ne­te Me­tho­den für die Prüfung der Stan­dards.

Die de­tail­lier­te Dar­stel­lung der Kri­te­ri­en für frei­wil­li­ge Nach­hal­tig­keits­stan­dards können Sie im Diskussionspapier Standards & Zertifizierungen: Anforderungen im Rahmen gesetzlicher Sorgfaltspflichten aus zivilgesellschaftlicher Sicht lesen.

——————————–

Foto: Etty Fidele / uns­plash.com

Maßnahmen zu Living Income des Forum Nachhaltiger Kakao sind unzureichend

Evelyn Bahn, INKOTA

Die bis­he­ri­gen Maß­nah­men der Mit­glie­der des Forums Nach­hal­ti­ger Kakao reichen nicht aus, damit Ka­kao­pro­du­zent*innen über ein exis­tenz­si­chern­des Ein­kom­men ver­fü­gen können. In einer Stellungnahme fordern zi­vil­ge­sell­schaft­li­che Or­ga­ni­sa­tio­nen aus dem Forum Nach­hal­ti­ger Kakao, dass Un­ter­neh­men exis­tenz­si­chern­de Preise und lang­fris­ti­ge Ge­schäfts­be­zie­hun­gen mit Pro­du­zent*in­nen­grup­pen zum Be­stand­teil ihrer Ein­kaufs­prak­ti­ken im Ka­kao­s­ek­tor machen.

Die Mit­glie­der der Mul­ti-Sta­ke­hol­der-In­itia­ti­ve „Forum Nach­hal­ti­ger Kakao“ haben sich im Juni 2023 ge­mein­sam dazu bekannt, sich dafür ein­zu­set­zen, dass bis zum Jahr 2030 90% der Ka­kao­bau­ern­haus­hal­te, die die Mit­glie­der mit Kakao be­lie­fern, ein exis­tenz­si­chern­des Ein­kom­men er­zie­len können. An­läss­lich der Veröffentlichung des Monitoringberichts 2022 des Kakaoforums be­ton­ten zi­vil­ge­sell­schaft­li­che Or­ga­ni­sa­tio­nen in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass bis­he­ri­ge Maß­nah­men noch un­zu­rei­chend sind, um das Ziel bis 2030 er­rei­chen zu können. Mit dem Südwind In­sti­tut, dem Forum Fairer Handel und dem IN­KO­TA-netz­werk wurde die Stel­lung­nah­me auch von Trä­ger­or­ga­ni­sa­tio­nen des Co­rA-Netz­werks mit­ge­zeich­net.

Im Forum Nach­hal­ti­ger Kakao sind neben der Bun­des­re­gie­rung, ver­tre­ten durch das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für wirt­schaft­li­che Zu­sam­men­ar­beit und Ent­wick­lung und dem Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Er­näh­rung und Land­wirt­schaft, auch die deut­sche Süß­wa­ren­in­dus­trie, der deut­sche Le­bens­mit­tel­han­del und zi­vil­ge­sell­schaft­li­che Or­ga­ni­sa­tio­nen aktiv. Seit 2019 ver­öf­fent­licht das Forum Nach­hal­ti­ger Kakao jähr­lich einen Bericht, um die Fort­schrit­te beim Er­rei­chen der selbst gesteckten Ziele zu den viel­fäl­ti­gen so­zia­len, öko­lo­gi­schen und öko­no­mi­schen Her­aus­for­de­run­gen im Ka­kao­s­ek­tor zu zeigen.

Mehrheit der Kakaoproduzent*innen lebt in Armut

Zehn Jahre nach Grün­dung des Forums war das Be­kennt­nis zu exis­tenz­si­chern­dem Ein­kom­men ein drin­gend not­wen­di­ger Durch­bruch. Denn Armut unter Ka­kao­pro­du­zent*innen gilt nicht nur als Men­schen­rechts­ver­let­zung, sondern ist auch eine der Haupt­ur­sa­chen für Kin­der­ar­beit und Ent­wal­dung. Daten des kürz­lich ver­öf­fent­lich­ten Mo­ni­to­ring­be­richts zeigen jedoch, dass die Ein­kom­mens­lü­cke selbst bei der Mehr­heit der Pro­du­zent*innen, an die sich die Pro­jek­te der Fo­rums-Mit­glie­der richten, bislang nicht ge­schlos­sen wurde. So wurden für le­dig­lich 20.000 Tonnen Kakao der von Fair­tra­de be­rech­ne­te „Living Income Re­fe­rence Price“ bezahlt und damit nur für einen Bruch­teil des Ge­samt­ka­kaos der Fo­rums-Mit­glie­der. Einen Haupt­grund für den feh­len­den Fort­schritt macht die Zi­vil­ge­sell­schaft darin aus, dass die Mit­glie­der des Ka­kao­fo­rums vor allem Stra­te­gi­en im Bereich der An­bau­prak­ti­ken und zur Ver­bes­se­rung der Pro­duk­ti­vi­tät ver­fol­gen. Maß­nah­men, die auf die Zahlung höherer Preise oder Prämien setzen, werden hin­ge­gen deut­lich sel­te­ner ver­folgt. Dabei können exis­tenz­si­chern­de Ein­kom­men nur durch ganz­heit­li­che Stra­te­gi­en (smart mix) er­reicht werden, so die Un­ter­zeich­ner der Stel­lung­nah­me. Dazu gehört auch, dass Un­ter­neh­men der Kakao- und Scho­ko­la­den­in­dus­trie und des Le­bens­mit­tel­ein­zel­han­dels exis­tenz­si­chern­de Preise an die Ka­kao­pro­du­zent*innen be­zah­len.

Nachhaltigkeitsanstrengungen der Produzent*innen werden unzureichend honoriert

Während die Nach­hal­tig­keits­an­for­de­run­gen – auch im Kontext des Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­g­e­s­e­t­z­es – ge­gen­über Pro­du­zent*innen stetig steigen, ver­mis­sen zi­vil­ge­sell­schaft­li­che Or­ga­ni­sa­tio­nen die feh­len­de Be­reit­schaft der Un­ter­neh­mens­mit­glie­der, die An­stren­gun­gen der Pro­du­zent*innen an­ge­mes­sen zu ho­no­rie­ren.  So ist die Prä­mi­en­hö­he, die die Fo­rums­mit­glie­der ihren Pro­du­zent*innen zahlen, bisher ent­täu­schend niedrig. Mit durch­schnitt­lich 174 Dollar pro Tonne im Haupt­an­bau­land Côte d’Ivoire liegt sie deut­lich unter der ga­ran­tier­ten Min­dest­prä­mie von Fair­tra­de (240 Dollar pro Tonne). Die zi­vil­ge­sell­schaft­li­chen Or­ga­ni­sa­tio­nen sehen zudem wei­ter­hin eine Trans­pa­renz­lü­cke. Nach wie vor fehlt bei vielen Un­ter­neh­mens­mit­glie­dern die Be­reit­schaft, Daten zur Ein­kom­mens­si­tua­ti­on der Pro­du­zent*innen in ihren Lie­fer­ket­ten zu teilen. Damit wird eine evi­denz­ba­sier­te Stra­te­gie­ent­wick­lung für die Mit­glie­der des Ka­kao­fo­rums er­schwert.

Existenzsichernde Preise müssen Teil der Strategie sein

Die Wirk­sam­keit des Forums Nach­hal­ti­ger Kakao muss in den kom­men­den Jahren daran ge­mes­sen werden, ob Pro­du­zent*innen in den Ka­kao-Lie­fer­ket­ten der Mit­glie­der über ein exis­tenz­si­chern­des Ein­kom­men ver­fü­gen. Dies stellt eine Grund­vor­aus­set­zung dar, damit Men­schen­rechts­ri­si­ken re­du­ziert werden. Aus Sicht der Zi­vil­ge­sell­schaft wird dies nur ge­lin­gen, wenn die un­ter­neh­me­ri­schen Mit­glie­der ihre Ein­kaufs­prak­ti­ken grund­le­gend ver­än­dern. Die Zahlung exis­tenz­si­chern­der Preise und die Eta­blie­rung lang­fris­ti­ger Ge­schäfts­be­zie­hun­gen mit Pro­du­zent*in­nen­grup­pen müssen zum in­te­gra­len Be­stand­teil von Un­ter­neh­mens­stra­te­gi­en für exis­tenz­si­chern­de Ein­kom­men gemacht werden.

——————————–

Foto: Tamanna Rumee / uns­plash.com

Reform des Vergaberechts: Menschenrechte und Fairer Handel endlich verbindlich machen

Johanna Fincke, Ro­me­ro-In­itia­ti­ve (CIR)

Das Mi­nis­te­ri­um für Wirt­schaft und Kli­ma­schutz (BMWK) steckt mitten in der Reform des Ver­ga­be­rechts. Dabei steht vor allem die Ver­ein­fa­chung im Fokus, doch auch soziale und öko­lo­gi­sche Kri­te­ri­en sollen laut Aus­sa­gen des Mi­nis­te­ri­ums ge­stärkt werden. Die Mehr­heit der Be­völ­ke­rung begrüßt das, wie eine ak­tu­el­le Umfrage zeigt.

Die ak­tu­el­le Reform soll öf­fent­li­che Ver­ga­be­ver­fah­ren ver­ein­fa­chen und be­schleu­ni­gen sowie soziale und öko­lo­gi­sche Kri­te­ri­en stärken. Dies ist auch im Ko­ali­ti­ons­ver­trag ver­an­kert. Wirt­schafts­ver­bän­de lehnen die ver­bind­li­che Re­gu­lie­rung im Umwelt- und So­zi­al­be­reich jedoch wei­ter­hin ab. Dabei steht die Be­völ­ke­rung einer klaren Vorgabe des Bundes für einen fairen Einkauf von Bund, Ländern und Kom­mu­nen sehr positiv ge­gen­über, wie eine aktuelle forsa-Umfrage der Romero-Initiative (CIR) zeigt.

Bürger*innen begrüßen faire Beschaffung per Gesetz

Nach der Umfrage halten es drei von vier Men­schen für wichtig oder sehr wichtig, dass die öf­fent­li­che Hand beim Einkauf von Pro­duk­ten und Gütern darauf achtet, dass sie unter fairen Be­din­gun­gen pro­du­ziert wurden – auch wenn sie dann teurer sind. Eine Mehr­heit der Um­fra­ge­teil­neh­men­den fände es au­ßer­dem gut oder sehr gut, wenn die Bun­des­re­gie­rung den Aspekt der Nach­hal­tig­keit beim öf­fent­li­chen Einkauf ge­setz­lich ver­an­kert. 67 Prozent der Be­frag­ten würden es be­grü­ßen, wenn Kom­mu­nen und Länder zu­künf­tig ver­pflich­tet werden, faire oder kli­ma­freund­li­che Pro­duk­te immer zu be­vor­zu­gen.

Dies macht deut­lich: Die Bun­des­re­gie­rung täte gut daran, selbst als Vorbild der sozial öko­lo­gi­schen Trans­for­ma­ti­on vor­an­zu­ge­hen. Die Wirkung der öf­fent­li­chen Ein­kaufs­macht auf die Wirt­schaft (ins­be­son­de­re kleine und mitt­le­re Un­ter­neh­men) ist er­schöp­fend wis­sen­schaft­lich be­wie­sen, ins­be­son­de­re in Zeiten ab­flau­en­der Kon­junk­tur. Darüber hinaus ist die Re­gie­rung gemäß den UN-Leit­prin­zi­pi­en für Wirt­schaft und Men­schen­rech­te ver­pflich­tet, der eigenen Schutz­pflicht nach­zu­kom­men, indem sie bei der öf­fent­li­chen Auf­trags­ver­ga­be die Achtung der Men­schen­rech­te si­cher­stellt.

Zivilgesellschaft fordert verbindliche Nachhaltigkeit im neuen GWB

Im öf­fent­li­chen Kon­sul­ta­ti­ons­pro­zes­ses des letzten Jahres wurde zu­neh­mend deut­lich, dass zahl­rei­che In­ter­es­sens­ver­bän­de für den Abbau von Regeln ein­tre­ten. Damit laufen soziale und öko­lo­gi­sche Kri­te­ri­en Gefahr, dem Primat der „Ver­schlan­kung“ un­ter­ge­ord­net zu werden. Ins­ge­samt 18 zi­vil­ge­sell­schaft­li­che Or­ga­ni­sa­tio­nen und Bünd­nis­se haben deshalb noch im De­zem­ber ein Positionspapier an das BMWK ge­schickt. Sie fordern, dass Nach­hal­tig­keit ein zen­tra­les Kri­te­ri­um von Wirt­schaft­lich­keit wird. Im Rahmen der Reform des Ge­set­zes gegen Wett­be­werbs­be­schrän­kun­gen (GWB) sollte die De­fi­ni­ti­on der Wirt­schaft­lich­keit deshalb da­hin­ge­hend über­ar­bei­tet werden. Dabei gehören alle drei Di­men­sio­nen von Nach­hal­tig­keit zwin­gend und immer dazu und sind nicht be­lie­big aus­tausch­bar.

In der Reform des Ver­ga­be­rechts müssen die so­zia­len Kri­te­ri­en von einer „Kann-“ zu einer „Muss-Be­stim­mung“ werden. Dabei ist es wichtig, dass die Bun­des­re­gie­rung klar­stellt, dass diese Kri­te­ri­en nicht mehr nur in den zu­sätz­li­che Auf­trags­aus­füh­rungs­be­stim­mun­gen ver­pflich­tend ein­ge­bun­den werden sollen, sondern in jeder Stufe des Auf­trags­ver­fah­rens An­wen­dung finden können. Unter soziale Nach­hal­tig­keits­as­pek­te fallen etwa die ILO-Ker­nar­beits­nor­men und die Kri­te­ri­en des fairen Handels. Darüber hinaus sollten – im Sinne einer ein­heit­li­chen Rechts­ord­nung – die Re­ge­lun­gen im Ver­ga­be­recht ab Er­rei­chen des EU-Schwel­len­werts die­je­ni­gen Rechts­po­si­tio­nen über­neh­men, die im Lie­fer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­g­e­s­e­tz ge­schützt und bereits als Teil der un­ter­neh­me­ri­schen Sorg­falts­pflicht eta­bliert sind.

Reformpläne der Bundesregierung

Wie genau die Bun­des­re­gie­rung die Ver­ga­be­re­geln re­for­mie­ren will, ist bisher nicht schrift­lich fest­ge­hal­ten. Erste Ver­laut­ba­run­gen des Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­te­ri­ums machen jedoch deut­lich, dass eine we­sent­li­che Er­hö­hung des Schwel­len­werts für Di­rekt­auf­trä­ge geplant ist. Mit einer solchen Re­ge­lung würde das BMWK der For­de­rung nach Be­schleu­ni­gung und Ver­ein­fa­chung, die vor allem von Seiten der In­ter­es­sens­ver­bän­de der Wirt­schaft und Kom­mu­nen sowie der FDP ge­äu­ßert werden, ent­ge­gen­kom­men.

Gleich­zei­tig ist of­fen­bar geplant, bis­he­ri­ge Kann-Vor­schrif­ten zur Ein­hal­tung so­zia­ler und öko­lo­gi­scher Kri­te­ri­en ver­bind­li­cher zu ge­stal­ten. Dies ist drin­gend not­wen­dig, wie auch eine 2022 ver­öf­fent­lich­te Studie des Bundesrechnungshofs zeigt. Sie kam zu dem Er­geb­nis, dass Nach­hal­tig­keits­as­pek­te bei der Be­schaf­fung in Bun­des­be­hör­den bislang völlig un­zu­rei­chend an­ge­wandt werden. In­wie­weit am Ende die For­de­run­gen aus der Zi­vil­ge­sell­schaft zur GWB-Re­form Eingang finden und in­wie­fern im Rahmen der Reform öf­fent­li­cher Ver­ga­be­ver­fah­ren (VgV) Ko­hä­renz zu den An­for­de­run­gen des Lie­fer­ket­ten­ge­set­zes her­ge­stellt wird, bleibt ab­zu­war­ten. Ins­ge­samt wäre es wün­schens­wert, wenn über der Ge­set­zes­re­form das Primat der sozial öko­lo­gi­schen Trans­for­ma­ti­on stände und nicht le­dig­lich das der „Ver­schlan­kung“ – und die Bun­des­re­gie­rung beim eigenen Einkauf die An­for­de­run­gen des Lie­fer­ket­ten­ge­set­zes selbst einhält. Auch um öko­no­mi­sche Anreize für KMUs zu schaf­fen, sich fit für men­schen­recht­li­che Sorg­falts­pflich­ten zu machen.

——————————–

Foto: Nabil Mo­li­na­ri / flickr

Brennpunkt Monopolmacht: Kartellrechtsreform und Bauernproteste

Ulrich Müller, In­itia­ti­ve Kon­zern­macht be­schrän­ken

Das Kar­tell­recht scheint in aller Munde. Die Bau­ern­pro­tes­te rücken die Markt­macht der Su­per­markt­ket­ten erneut in den Fokus, mehrere NGOs ver­öf­fent­li­chen wich­ti­ge Studien zur Mo­no­pol­macht im Zuge des Welt­wirt­schafts­fo­rums in Davos und das Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um ar­bei­tet an der nächs­ten Kar­tell­rechts­re­form.

Pünkt­lich zum Welt­wirt­schafts­fo­rum in Davos er­schie­nen gleich zwei Studien zu Mo­no­pol­macht: von Oxfam und von vier NGOs rund um das Balanced Economy Project. Sie belegen, dass Mo­no­pol­macht zu höheren Preis­auf­schlä­gen führt und Un­gleich­hei­ten ver­schärft.

Zu­gleich ent­brann­te nach den Bau­ern­pro­tes­ten eine Debatte um die Markt­macht der Su­per­markt­ket­ten. Die Ampel und das Bun­des­kar­tell­amt sollten hier aktiv werden und das Agrar­or­ga­ni­sa­tio­nen-und-Lie­fer­ket­ten-Ge­setz (Agra­rOLKG) ver­bes­sern, um unfaire Han­dels­prak­ti­ken zu be­gren­zen. Nötig wäre unter anderem eine Om­bud­stel­le, die Preise und Margen be­ob­ach­ten kann. Die In­itia­ti­ve Kon­zern­macht be­schrän­ken hat das Bundeskartellamt aufgefordert, seine neuen Be­fug­nis­se aus der letzten Kar­tell­rechts­re­form zu nutzen und eine Sek­tor-Un­ter­su­chung zum Le­bens­mit­tel­ein­zel­han­del zu starten. Diese könnte Maß­nah­men bis zu einer Auf­spal­tung der vier großen Ketten Edeka, Rewe, Aldi und Lidl ver­hän­gen, um die Kon­zen­tra­ti­on der letzten Jahre rück­gän­gig zu machen.

Neue Kartellrechtsreform in Vorbereitung

Par­al­lel läuft die nächste Kar­tell­rechts­re­form an. Anfang De­zem­ber endete eine Kon­sul­ta­ti­on des Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­ums zur Mo­der­ni­sie­rung des Wett­be­werbs­rechts. Sie um­fass­te etwa die Themen Fu­si­ons­kon­trol­le und Nach­hal­tig­keits­ko­ope­ra­tio­nen. Aus der Zi­vil­ge­sell­schaft gab es ver­schie­de­ne Stel­lung­nah­men, etwa von der In­itia­ti­ve Kon­zern­macht be­schrän­ken sowie dem Co­rA-Netz­werk. Sie betonen, dass Macht­kon­zen­tra­ti­on eine Gefahr für das Ge­mein­wohl, die De­mo­kra­tie und eine so­zi­al-öko­lo­gi­sche Trans­for­ma­ti­on dar­stellt. Sie plä­die­ren dafür, kon­se­quent gegen Kon­zern­macht vor­zu­ge­hen und das Kar­tell­recht zu stärken. Die Fu­si­ons­kon­trol­le muss strik­ter werden, um die weitere Kon­zen­tra­ti­on öko­no­mi­scher Macht zu ver­hin­dern. So sollten auch au­ßer­wett­be­werb­li­che Ge­mein­wohl­zie­le be­rück­sich­tigt und eine Un­ter­sa­gung von Fu­sio­nen aus Ge­mein­wohl­grün­den möglich werden. Dies be­trifft bei­spiels­wei­se Fu­sio­nen, die soziale und öko­lo­gi­sche Nach­hal­tig­keits­zie­le nicht ein­hal­ten, sowie den Schutz der De­mo­kra­tie vor kon­zen­trier­ter Macht.

Ministererlaubnis birgt Risiko gezielter Beeinflussung

Pro­ble­ma­tisch ist auch die so­ge­nann­te Mi­nis­ter­er­laub­nis: Danach kann der Wirt­schafts­mi­nis­ter bereits vom Bun­des­kar­tell­amt un­ter­sag­te Fu­sio­nen doch er­lau­ben, so wie die Über­nah­me von Ten­gel­mann durch Edeka unter Sigmar Gabriel. Eine solche Mi­nis­ter­er­laub­nis sollte in hoch­kon­zen­trier­ten Märkten nicht mehr möglich sein. Statt der Ent­schei­dung eines ein­zel­nen Mi­nis­ters sollte das Par­la­ment oder zu­min­dest das gesamte Ka­bi­nett ent­schei­den. Das mindert das Risiko ge­ziel­ter Be­ein­flus­sung eines ein­zel­nen Mi­nis­ters und bindet die Sicht­wei­sen un­ter­schied­li­cher Res­sorts ein.

Nachhaltiger Wettbewerb als Leitbild des Kartellrechts

Die Be­deu­tung von Nach­hal­tig­keit im Kar­tell­recht sollte über (be­grenz­te) Aus­nah­men für Nach­hal­tig­keits­ko­ope­ra­tio­nen hin­aus­ge­hen. Statt­des­sen muss nach­hal­ti­ger Wett­be­werb als Leit­bild im Kar­tell­recht ver­an­kert und die Ab­wäl­zung so­zia­ler und öko­lo­gi­scher Kosten auf die All­ge­mein­heit als Markt­macht­miss­brauch erfasst werden. Wie weit der Re­form­wil­le des Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­ums hier geht, bleibt jedoch ab­zu­war­ten. Bei Mo­dell­pro­jek­ten wie Mul­ti-Sta­ke­hol­der-In­itia­ti­ven, an denen die Zi­vil­ge­sell­schaft und Rech­te­inha­ben­de be­tei­ligt sind, sollte es Er­leich­te­run­gen geben. Dabei muss auch die soziale Di­men­si­on der Nach­hal­tig­keit be­rück­sich­tigt werden. Gleich­zei­tig sollten keine zu groß­zü­gi­gen Aus­nah­men für Nach­hal­tig­keits­ver­ein­ba­run­gen ge­schaf­fen werden, um Green­wa­shing zu ver­mei­den.

Mehr zu den Mo­no­pol­macht-Stu­di­en und ak­tu­el­le Nach­rich­ten zum Thema unter www.rebalance-now.de.

——————————–

Foto: freepik

Außenwirtschaftsförderung: Neue Chancen für Umwelt- und Menschenrechtsstandards

Tina Haupt, WEED e.V.

Die Bun­des­re­gie­rung un­ter­stützt die deut­sche Wirt­schaft mit Bürg­schaf­ten in Mil­li­ar­den­hö­he im Rahmen der Au­ßen­wirt­schafts­för­de­rung. Die För­de­rung kon­zen­triert sich vor allem auf Länder mit schwa­cher Re­gu­lie­rung und kri­ti­sche Groß­pro­jek­te – und bietet daher die Chance, Umwelt- und Men­schen­rechts­stan­dards global durch­zu­set­zen.

Jähr­lich bürgt die Bun­des­re­gie­rung für die glo­ba­len Ge­schäfts­tä­tig­kei­ten deut­scher Un­ter­neh­men – ins­be­son­de­re in Ländern, die durch wirt­schaft­li­che Risiken, oft aber auch durch pro­ble­ma­ti­sche Men­schen­rechts­la­gen und schwa­che Re­gu­lie­rung ge­kenn­zeich­net sind. Allein im Jahr 2022 um­fass­ten diese Bürg­schaf­ten ins­ge­samt 30 Mil­li­ar­den Euro. Sie er­mög­li­chen Un­ter­neh­men oft erst Ge­schäf­te, die an­sons­ten zu ri­si­ko­be­haf­tet wären. Her­mes­bürg­schaf­ten dienen dabei der Ex­port­för­de­rung, In­ves­ti­ti­ons­ga­ran­ti­en sichern Aus­lands­in­ves­ti­tio­nen ab und mit Ga­ran­ti­en für un­ge­bun­de­ne Fi­nanz­kre­di­te fördert die Bun­des­re­gie­rung Roh­stoff­vor­ha­ben im Ausland.

Aktuelle Standards genügen nicht

Pro­jek­te mit einer Lauf­zeit von mehr als 2 Jahren und einem Umfang von mehr als 15 Mil­lio­nen Euro werden einer so­ge­nann­ten Um­welt-und Men­schen­rechts­prü­fung (USM-Prü­fung) un­ter­zo­gen. Die Um­set­zung dieser USM-Stan­dards ist jedoch man­gel­haft. Das zeigt bei­spiels­wei­se das Projekt zur Er­wei­te­rung der Bauxit-Mine in Sangaredi, Guinea. Die deut­sche ING DiBa Bank gab dem halb­staat­li­chen Berg­bau­un­ter­neh­men Com­pa­gnie de Bauxite Guinée (CBG) hierfür einen Kredit in Höhe von 293 Mil­lio­nen US-Dol­lar. In den ver­gan­ge­nen Jahren bezog Deutsch­land bis zu 90 Prozent seiner Bau­xit-Im­por­te aus dieser Mine. Deshalb si­cher­te die Bun­des­re­gie­rung diesen Kredit mit einer Ga­ran­tie für Un­ge­bun­de­ne Fi­nanz­kre­di­te (UFK) ab. Mit dem Vertrag ver­pflich­te­te sich das Un­ter­neh­men zwar zur Ein­hal­tung der USM-Stan­dards, in der Praxis wurden diese aber nicht kon­se­quent um­ge­setzt, wie FIAN bei einem Besuch in Guinea im De­zem­ber 2022 fest­stell­te. Auch im Mo­ni­to­ring-Be­richt der Firma Ramboll wurde auf die Miss­stän­de, etwa un­zu­mut­ba­re Luft- und Was­ser­ver­schmut­zung, Spren­gun­gen in der Nähe von Sied­lungs­ge­bie­ten oder die Um­sied­lung auf un­frucht­ba­res Land ohne aus­rei­chen­de Ent­schä­di­gun­gen, hin­ge­wie­sen.

Interventionen zeigen erste Erfolge

In Ge­sprä­chen mit der Bun­des­re­gie­rung und dem Man­da­tar Eu­ler-Her­mes for­der­te das Co­rA-Netz­werk eine stren­ge­re Über­wa­chung der ge­för­der­ten Pro­jek­te und setzte sich dafür ein, dass Ab­hil­fe­maß­nah­men ein­ge­lei­tet werden. Nachdem FIAN eine Be­schwer­de über die akute Ver­schmut­zung eines Flusses im Gebiet der Mine mit Fotos aus Guinea an den Man­da­tar wei­ter­lei­te­te, wurde Euler Hermes aktiv, so dass sich die Was­ser­qua­li­tät des Flusses im An­schluss deut­lich ver­bes­ser­te. Dieses Bei­spiel ver­deut­licht das Po­ten­zi­al, durch Au­ßen­wirt­schafts­för­de­rung zur Ein­hal­tung von Um­welt­stan­dards und Men­schen­rech­ten bei­zu­tra­gen.

Kri­te­ri­en für eine grund­sätz­li­che Ver­bes­se­rung der Ver­ga­be­kri­te­ri­en haben 25 Men­schen­rechts- und Um­welt­or­ga­ni­sa­tio­nen vor den Bun­des­tags­wah­len in einem gemeinsamen Positionspapier zu­sam­men­ge­fasst.

Einen Schritt in Rich­tung Kli­ma­schutz hat die Bun­des­re­gie­rung nun un­ter­nom­men. Ende 2023 traten so ge­nann­te „Sek­tor­leit­li­ni­en“ für die deut­sche Au­ßen­wirt­schafts­för­de­rung in Kraft. Mit diesen will die Bun­des­re­gie­rung die Vergabe ihrer Her­mes-Ex­port­kre­dit­ga­ran­ti­en und In­ves­ti­ti­ons­ga­ran­ti­en mit dem 1,5-Grad-Ziel von Paris in Ein­klang bringen und somit das Glasgow State­ment, also das Ver­spre­chen, die direkte Un­ter­stüt­zung fos­si­ler En­er­gie­trä­ger mit öf­fent­li­chen Geldern zu beenden, ein­lö­sen. Die Leit­li­ni­en bleiben al­ler­dings hinter dem zurück, was CorA-Trägerorganisationen gefordert hatten, und hätten deut­lich am­bi­tio­nier­ter aus­fal­len müssen, um zügig aus der fos­si­len In­fra­struk­tur aus­zu­stei­gen.

 

Regine Richter, En­er­gie-Cam­pai­gne­rin bei ur­ge­wald: „Die Lob­by­ar­beit der deut­schen In­dus­trie hat zum Glück nicht zu einer mas­si­ven Schwä­chung der Leit­li­ni­en geführt. Doch die zahl­rei­chen Aus­nah­men im Re­gel­werk sind eine Gefahr für den Kli­ma­schutz. Sollten sie in­ten­siv an­ge­wandt werden, kann die Bun­des­re­gie­rung ihr Ver­spre­chen, die Au­ßen­wirt­schafts­för­de­rung mit dem 1,5-Grad-Ziel in Ein­klang zu bringen, nicht halten. Wird die An­wen­dung der Regeln hin­ge­gen strikt am Kli­ma­schutz ori­en­tiert, sind sie ein Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung. Viel hängt jetzt von einer kon­se­quen­ten Um­set­zung ab.

——————————–

Foto: UN-Pho­to / Rick-Ba­jor­nas

Die 9. Verhandlungsrunde über den UN-Treaty zu Wirtschaft und Menschenrechten

Karolin Seitz, Global Policy Forum

Vom 23. bis 27. Oktober 2023 sind im Men­schen­rechts­rat der Ver­ein­ten Na­tio­nen rund 80 Staaten zu­sam­men­ge­kom­men, um weiter über ein in­ter­na­tio­na­les Men­schen­rechts­ab­kom­men zur Re­gu­lie­rung von Un­ter­neh­men und ihrer Wert­schöp­fungs­ket­ten („UN-Trea­ty“) zu ver­han­deln. Nach einem schlep­pen­den Start geht der Prozess am Ende über­ra­schend ge­stärkt weiter.

Zu­nächst verlief die neunte Ver­hand­lungs­run­de sehr zäh. So konnten während der ge­sam­ten Woche le­dig­lich die Prä­am­bel und die ersten drei Artikel des Ab­kom­mens­ent­wurfs be­spro­chen werden. Dies lag ei­ner­seits an müh­sa­men Ver­hand­lun­gen über das Ar­beits­pro­gamm direkt zu Beginn. So lehnte die afri­ka­ni­sche Gruppe den vom ecua­do­ria­ni­schen Vor­sit­zen­den der Ar­beits­grup­pe vor­ge­leg­ten Ab­kom­mens­ent­wurf als Grund­la­ge ab, da sie sich in die Er­stel­lung des Ent­wurfs nicht ein­ge­bun­den fühlte und ihre An­lie­gen aus vor­he­ri­gen Ver­hand­lungs­run­den nicht be­rück­sich­tigt sah. An­de­rer­seits ver­län­ger­te sich die Dis­kus­si­on aber auch durch eine er­freu­lich große Anzahl sub­stan­zi­el­ler Bei­trä­ge der De­le­gier­ten. Anders als in vor­he­ri­gen Ver­hand­lungs­run­den brach­ten sie nicht vor­ge­fer­tig­te Stel­lung­nah­men ein, sondern re­agier­ten auf­ein­an­der und un­ter­mau­er­ten ihre For­mu­lie­rungs­vor­schlä­ge mit kon­kre­ten Bei­spie­len.

Diskussionen gehen bis ins Detail

Unter anderem wurde über die ex­pli­zi­te Nennung von UN-Über­ein­kom­men dis­ku­tiert. Bra­si­li­en, Hon­du­ras und Malawi spra­chen sich bei­spiels­wei­se dafür aus, dass die UN-Er­klä­rung über das Recht auf Ent­wick­lung, über Men­schen­rechts­ver­tei­di­ger*innen und über die Rechte in­di­ge­ner Völker erwähnt werden. Bo­li­vi­en, Süd­afri­ka, Malawi, Ko­lum­bi­en und Ägypten for­der­ten, zudem die UN-Er­klä­rung über die Rechte von Bäuer*innen zu nennen. Auch die Um­for­mu­lie­rung von „Un­ter­neh­mens­pflich­ten“ zu „Un­ter­neh­mens­ver­ant­wor­tung“ im vor­lie­gen­den Ab­kom­mens­ent­wurf stand auf der Agenda. Während China, Ägypten, Malawi, Bra­si­li­en, Hon­du­ras, Kuba und Ko­lum­bi­en die Um­for­mu­lie­rung wieder rück­gän­gig machen wollten, spra­chen sich Groß­bri­tan­ni­en, die USA, Panama und Peru für eine sprach­li­che Ori­en­tie­rung an den UN-Leit­prin­zi­pi­en für Wirt­schaft und Men­schen­rech­te aus. Diese spre­chen von der Ver­ant­wor­tung von Un­ter­neh­men und der Pflicht von Staaten, die Men­schen­rech­te zu schüt­zen. Bei der Dis­kus­si­on um die hoch­um­strit­te­nen Artikel zu den Zielen des Ab­kom­mens und über den An­wen­dungs­be­reich konnte keine Ei­ni­gung erzielt werden. Süd­afri­ka, Russ­land, Ghana, Iran, Malawi, China, Al­ge­ri­en, In­do­ne­si­en, Pa­kis­tan, Hon­du­ras und Ko­lum­bi­en for­der­ten, dass der Treaty nur trans­na­tio­na­le Kon­zer­ne und Un­ter­neh­men mit trans­na­tio­na­lem Cha­rak­ter re­gu­lie­ren solle. Mexiko, Panama, Chile, Peru und die USA hin­ge­gen spra­chen sich für eine Re­gu­lie­rung aller Ge­schäfts­tä­tig­kei­ten aus.

Treaty Alliance Deutschland verfolgt die Verhandlungen kritisch

Ins­ge­samt begrüßt die Treaty Alliance Deutschland die Straf­fung des ak­tua­li­sier­ten Ent­wurfs und die Auf­nah­me einiger po­si­ti­ver Ele­men­te. Zu­gleich kri­ti­siert sie jedoch die Ab­schwä­chung einiger Artikel im Hin­blick auf den Rechts­schutz Be­trof­fe­ner. Pro­ble­ma­tisch ist vor allem die Er­gän­zung an einigen Stellen, dass die vor­ge­se­he­nen Re­ge­lun­gen, ins­be­son­de­re wenn es um die staat­li­che Ver­pflich­tung zur Ein­füh­rung eines Haf­tungs­sys­tems geht, nur für den Fall gelten sollen, dass sie mit dem in­ner­staat­li­chen Rechts­sys­tem ver­ein­bar sind. Darüber hinaus kri­ti­siert sie die Strei­chung jeg­li­cher Re­fe­renz der Vor­gän­ger­ver­si­on zu Umwelt- und Kli­ma­ab­kom­men sowie der staat­li­chen Ver­pflich­tung zur Ein­füh­rung einer umwelt- und kli­ma­be­zo­ge­nen Sorg­falts­pflicht für Un­ter­neh­men.

Aktive Beteiligung der EU bleibt ungewiss

Be­son­ders viele Bei­trä­ge kamen erneut vor allem aus Ländern des Glo­ba­len Südens, aber auch die USA und Groß­bri­tan­ni­en, erst­mals dabei am Ver­hand­lungs­tisch, brach­ten sich sehr aktiv in die Ver­hand­lun­gen ein. In Er­man­ge­lung eines Ver­hand­lungs­man­dats waren die EU und ihre Mit­glied­staa­ten während der neunten Ver­hand­lungs­run­de dagegen wie­der­um nur be­ob­ach­tend dabei und mel­de­ten sich mit wenigen all­ge­mein ge­hal­te­nen Stel­lung­nah­men zu Wort. Eine Mehr­heit der Mit­glied­staa­ten, dar­un­ter auch die Bun­des­re­gie­rung, fordert bereits seit län­ge­rem eine aktive Be­tei­li­gung der EU an den Ver­hand­lun­gen. Dies schei­ter­te bislang aber am Wi­der­stand des Eu­ro­päi­schen Aus­wär­ti­gen Diens­tes, der den EU-Mit­glied­staa­ten auch auf wie­der­hol­te Nach­fra­ge bislang noch nicht einmal eine recht­li­che Analyse des vor­lie­gen­den Ab­kom­mens­ent­wurfs vor­ge­legt hat. Ein bal­di­ger Ein­tritt der EU in die UN-Trea­ty-Ver­hand­lun­gen wäre in ihrem In­ter­es­se, nicht nur um gleiche Wett­be­werbs­be­din­gun­gen für alle Un­ter­neh­men welt­weit zu schaf­fen, sondern auch, um die neue Dynamik im Prozess und die Mög­lich­keit, das Ab­kom­men in ihrem Sinne mit­zu­ge­stal­ten, nicht zu ver­pas­sen. Spä­tes­tens mit der Ver­ab­schie­dung des EU-Lie­fer­ket­ten­ge­set­zes wäre eine gute Grund­la­ge für ein EU-Ver­hand­lungs­man­dat für den UN-Trea­ty-Pro­zess gelegt.

Weitere Konsultationen geplant

Zur Über­ra­schung aller schlug der Vor­sit­zen­de vor, dem UN-Men­schen­rechts­rat in seiner März-Sit­zung 2024 eine neue Re­so­lu­ti­on zur Ab­stim­mung vor­zu­le­gen. Die Re­so­lu­ti­on solle dem Prozess mehr fi­nan­zi­el­le Mittel ver­schaf­fen, sodass die Ver­hand­lun­gen in­ten­si­viert werden können. Nach in­for­mel­len zwi­schen­staat­li­chen Ver­hand­lun­gen hinter ver­schlos­se­nen Türen einigte man sich am letzten Ver­hand­lungs­tag darauf, dem UN-Men­schen­rechts­rat le­dig­lich eine ver­fah­rens­be­zo­ge­ne Ent­schei­dung („pro­ce­du­ral de­ci­si­on“) vor­zu­le­gen. Die Afri­ka­ni­sche Union, die la­tein­ame­ri­ka­ni­schen Staaten und die EU waren sich über­ra­schend einig darin, keine neue Re­so­lu­ti­on zu wollen. Im Oktober 2024 gehen die Ver­hand­lun­gen in die nächste (zehnte) Runde. Bis dahin, so wurde ent­schie­den, soll es weitere zwi­schen­staat­li­che und the­ma­ti­sche Kon­sul­ta­tio­nen geben.

——————————–

Weitere Nach­rich­ten aus dem Netz­werk:

  • In einem Offenen Brief An­läss­lich des 30jäh­ri­gen Be­ste­hens des eu­ro­päi­schen Bin­nen­markts hat die EU-Kom­mis­si­on im März 2023 mit zwei Mit­tei­lun­gen weitere Maß­nah­men an­ge­kün­digt, um den ein­heit­li­chen Markt durch­zu­set­zen. In der Communication on ‚The Single Market at 30‘ und der Communication on competitiveness be­schreibt sie ihre Pläne. Zi­vil­ge­sell­schaft­li­che Gruppen, dar­un­ter das Co­rA-Netz­werk, und Ge­werk­schaf­ten sehen darin die große Gefahr, dass damit die so­zi­al-öko­lo­gi­sche Trans­for­ma­ti­on zu­sätz­lich be­hin­dert wird, de­mo­kra­ti­sche Spiel­räu­me auf na­tio­na­ler Ebene be­schnit­ten werden und der Druck zur De­re­gu­lie­rung dazu führt, dass Ver­brau­cher-, Umwelt- und Men­schen­rechts­schutz weiter re­du­ziert werden. Ge­stützt wird diese Sicht­wei­se durch eine Studie des Cor­po­ra­te Europe Ob­ser­va­to­ry über 30 Jahre Bin­nen­markt. In einem Offenen Brief an EU-Kom­mis­sa­re äußern die Or­ga­ni­sa­tio­nen ihre Sorge und fordern die EU-Kom­mis­si­on auf, der Der­gu­lie­rung Einhalt zu ge­bie­ten, statt­des­sen Trans­pa­renz und Re­chen­schaft über Be­schwer­den zu Bin­nen­markt­ver­let­zun­gen zu erhöhen und die Mög­lich­kei­ten zur so­zi­al-öko­lo­gi­schen Re­gu­lie­rung zu er­hal­ten.
  • In einem Appell an die Bun­des­re­gie­rung zum Ein­be­zug des Fi­nanz­sek­tors ins eu­ro­päi­sche Lie­fer­ket­ten­ge­setz (CSDDD) haben knapp 20 Or­ga­ni­sa­tio­nen, dar­un­ter das Co­rA-Netz­werk, dar­ge­legt, welche Be­deu­tung der Fi­nanz­sek­tor für die Ein­hal­tung der Men­schen­rech­te und der pla­ne­ta­ren Grenzen hat.