Die Verabschiedung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) hat die Diskussion um Nutzen und Grenzen von Multi-Stakeholder-Initiativen in Deutschland neu befeuert – so auch in den Branchendialogen, welche im Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) verankert sind und die das Bundesarbeitsministerium (BMAS) federführend moderiert. Insbesondere Unternehmensvertreter*innen nahmen das Gesetz im Branchendialog Automobil sowie dem geplanten Branchendialog mit dem Maschinen- und Anlagenbau zum Anlass, um über deren inhaltliche Ausrichtung und Referenzrahmen neu zu verhandeln. So wurde im Branchendialog Automobil darüber diskutiert, inwieweit die im Dialog erarbeiteten Handlungsanleitungen zu den Kernelementen menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht auch dazu dienen könnten, die gesetzlichen Anforderungen aus dem LkSG näher auszubuchstabieren. Dabei ist aus zivilgesellschaftlicher Sicht klar: Referenzrahmen für die Umsetzung der Sorgfaltspflichten im Rahmen der Branchendialoge müssen weiterhin die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen sein, die die Basis für den NAP bilden. Denn sie definieren prozessuale Umsetzungsanforderungen, die sich als Grundlage für konkrete Handlungsanleitungen besser eignen als das LkSG und zum Teil auch inhaltlich über dieses hinausgehen. Damit die Teilnahme an den Branchendialogen des BMAS weiterhin einen Mehrwert für deutsche zivilgesellschaftliche Organisationen darstellt, muss ihr Ambitionsniveau über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen und die Limitationen des LkSG adressieren. Hierzu zählen insbesondere eine Anwendung der Sorgfaltspflichten auf die gesamte vor- und nachgelagerte Lieferkette, die Einbeziehung kleinerer und mittelständiger Unternehmen sowie die Bündelung menschenrechtlicher Sorgfaltsmaßnahmen durch die Erarbeitung unternehmensübergreifender und branchenweiter Lösungsansätze.
Hierzu hat der Branchendialog Automobil im vergangenen Jahr einen positiven Beitrag geleistet. Neben Entwürfen für die Handlungsanleitungen zur Umsetzung individueller Sorgfaltspflichten in den Unternehmen werden derzeit Konzepte für branchenweite Lösungsansätze zu spezifischen menschenrechtlichen Risiken der Automobilbranche erarbeitet. Darunter sind ein unternehmensübergreifender Beschwerdemechanismus für die gesamte vorgelagerte Wertschöpfungskette der Autobauer in Mexiko, ein Projekt zur Analyse der Nutzen und Grenzen von Rohstoffstandards bei der Umsetzung von Sorgfaltspflichten sowie Empfehlungen für einen Bezug von Lithium unter Berücksichtigung menschenrechtlicher und umweltbezogener Standards.
In der geplanten zweiten Phase des Autodialoges ab Frühjahr 2022 sollen die erarbeiteten Konzepte und Projekte in die Umsetzung gebracht werden sowie die Handlungsanleitungen betrieblich verankert werden. Damit eröffnen sich für die am Dialog beteiligten zivilgesellschaftlichen Akteur*innen neue Arbeitsschwerpunkte: Insbesondere mit Blick auf den geplanten Beschwerdemechanismus in Mexiko muss eine bessere Einbeziehung von Organisationen und Vertretungen der Rechteinhabenden in den weiteren Prozess sichergestellt werden. Hierfür wurde in der ersten Phase bereits ein wichtiger Grundstein gelegt, den es nun auszubauen gilt. Um dies zu gewährleisten, soll im kommenden Jahr unter anderem ein von der deutschen Zivilgesellschaft organisierter Workshop in Mexiko stattfinden.
Darüber hinaus wird das Thema Wirkungsmonitoring im kommenden Jahr deutlich an Bedeutung gewinnen. Eine Herausforderung wird hierbei sein, geeignete Indikatoren für das Monitoring der Umsetzung und Wirkung der Handlungsanleitungen in den Unternehmen zu definieren und darüber hinaus die Wirksamkeit des Branchendialoges selbst zu erfassen und an objektiven Kriterien messbar zu machen.
Rebecca Heinz und Sarah Guhr (Germanwatch)