Zweimal musste das Auswärtige Amt (AA) die Frist verlängern, innerhalb derer eine Stichprobe der großen deutschen Unternehmen Auskunft über ihre menschenrechtlichen Sorgfaltsprozesse geben sollte. Bis zur gesetzten Frist hatten – trotz einer ersten Verlängerung, die die Bundesregierung per Twitter bekanntgab – längst nicht ausreichend Unternehmen geantwortet. So erteilte das Auswärtige Amt schließlich den Auftrag, weitere 1.200 Unternehmen anzuschreiben und verlängerte die Antwortfrist auf den 31.10.2019. Ebenfalls per Twitter informierte der Leiter der Wirtschaftsabteilung des AA nun, dass die erforderliche Mindestanzahl von über 400 ausgefüllten Fragebögen erreicht wurde. Damit betrug die Rücklaufquote statt der erwarteten 25 % nur 14 % – und verstärkt den Eindruck, dass das NAP-Monitoring nicht repräsentativ ist.
Es spricht für sich, dass trotz massiven Werbens seitens der Bundesregierung nur mühsam die erforderliche Anzahl von Unternehmensantworten erreicht wurde. Unklar ist zum Beispiel, wie viele Unternehmen den Fragebogen nicht ausgefüllt haben, weil sie in dem Themenfeld nichts oder zu wenig vorzuweisen haben. Denn auch wenn die Fragebögen anonym ausgewertet werden, kann das Ergebnis dennoch Auswirkungen auf die Unternehmen haben: Vom Ergebnis dieses Monitorings will die Bundesregierung ab-hängig machen, ob Unternehmen gesetzlich zu menschenrechtlicher Sorgfalt verpflichtet werden sollen.
Doch NGOs und Gewerkschaften stellen in Frage, ob das Monitoring überhaupt fundierte Ergebnisse liefern wird. Denn im Laufe der letzten Monate konnten das Wirtschaftsministerium und das Kanzleramt durchsetzen, dass die Methodik mehrfach abgeschwächt wurde, um eine höhere Erfüllungsquote von Unternehmen zu erreichen. In einer Stellungnahme belegen CorA, das Forum Menschenrechte, VENRO und der DGB diese Verwässerungen und kommen deshalb zu dem Gesamturteil, dass die Methodik „keine glaubwürdige, unabhängige und wissenschaftlich fundierte Grundlage“ bietet, um den Umsetzungsstand der menschenrechtlichen Sorgfalt deutscher Unternehmen angemessen und repräsentativ zu untersuchen und darzustellen.
Nun wird es spannend, zu welchem Ergebnis das Konsortium unter Führung von Ernst & Young kommt, das im Auftrag der Bundesregierung die Fragebögen auswertet. Die Zivilgesellschaft wird die Auswertung kritisch begleiten. Legt eine Studie des Business & Human Rights Resource Centre (BHRRC) von Anfang November 2019 doch nahe, dass ein fundiertes Monitoring zu dem Ergebnis kommen dürfte, dass bis-lang erst eine geringe Anzahl von Unternehmen ihrer Sorgfaltspflicht angemessen nachkommt.
„Keines der größten deutschen Unternehmen hat laut Analyse durchgängig ein Grundniveau bei der Achtung der Menschenrechte erreicht“, so das Fazit der Autor*innen. Gemeinsam mit der „School of Management and Law“ der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften hatte das BHRRC die Umsetzung der Sorgfaltspflicht durch die 20 umsatzstärksten deutschen Unternehmen untersucht. Phil Bloomer, Geschäftsführer des BHRRC, prognostiziert: „Die Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass die von der Bundesregierung bewertete breitere Gruppe deutscher Unternehmen die von der Regierung vorgegebene Schwelle wahrscheinlich nicht erreichen wird. Das würde richtigerweise eine gesetzgeberische Antwort nach sich ziehen.“
Erste interne Ergebnisse des Monitorings sollen im Dezember vorliegen, Anfang 2020 soll ein mit den Ministerien abgestimmter Bericht veröffentlicht werden. Das wäre einige Monate später als im ursprünglichen Zeitplan – und noch unter der optimistischen Annahme, dass die Bundesregierung sich rasch auf den Bericht einigen kann. Doch schon der erste Zwischenbericht, der die Methodik des Monitorings konkretisiert, wurde erst nach intensivem Ringen und unbefriedigenden Kompromissen mit dreieinhalb Monaten Verspätung verabschiedet.
Zwar ist das federführende AA bestrebt, die Verspätung bis zum Sommer 2020 wieder aufzuholen. Doch die Erfahrungen aus dem bisherigen Prozess stimmen nicht sehr hoffnungsvoll. Dabei wäre eine zeitliche Verzögerung von einigen Monaten durchaus relevant. Denn laut Zeitplan soll bis Juni 2020 das Endergebnis des Monitorings auf Basis einer zweiten quantitativen Befragung der Unternehmen vorliegen. Wenn dann eine gesetzliche Regelung folgen soll, hätte die Bundesregierung nur noch ein halbes Jahr Zeit, um dies umzusetzen, bevor der nächste Bundestagswahlkampf das Regierungshandeln vermutlich lahmlegt – vorausgesetzt die Koalition überlebt ihre selbst gesetzte Halbzeitbilanz.
Jede weitere Verzögerung lässt befürchten, dass für den Gesetzgebungsprozess noch weniger Zeit bleibt. Deshalb fordern das CorA-Netzwerk und zahlreiche weitere zivilgesellschaftliche Akteure, dass die Bundesregierung keine wertvolle Zeit verstreichen lässt, sondern bereits jetzt konkret an einer gesetzlichen Regelung arbeitet. Dafür lohnt sich ein Blick auf die Erfahrungen mit verschiedensten gesetzlichen Regelungen in europäischen Nachbarstaaten oder auf EU-Ebene, die eine Studie von September 2019 im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung zusammengefasst hat. Ebenso können zumindest in Teilen die bisherigen Überlegungen aus dem BMZ hilfreich sein. Auch die Initiative Lieferkettengesetz hat bereits Anforderungen für ein solches Gesetz formuliert.
Cornelia Heydenreich (Germanwatch)