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Die CSDDD weist Instrumenten wie Initiativen und Audits eine gestiegene Bedeutung in der Umsetzung von Sorgfaltspflichten zu. Was ändert sich im Vergleich zum LkSG und wie ist das vor dem Hintergrund der derzeit von Unternehmen genutzten Instrumente zu bewerten?

Was sieht die CSDDD vor?

Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) sieht – ähnlich wie zuvor schon das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Deutschland – für eine Auswahl von Instrumenten eine unterstützende Rolle in der Umsetzung von Sorgfaltspflichten durch Unternehmen vor. Konkret geht es dabei um Industrie-Initiativen, Multi-Stakeholder-Initiativen (MSI) (beide nachfolgend verkürzt als „Initiativen“ bezeichnet) und Überprüfungen durch unabhängige Dritte (im Folgenden verkürzt: Audits). In den Erwägungsgründen wird diesbezüglich angegeben, dass Industrie- und Multi-Stakeholder-Initiativen dazu beitragen könnten, zusätzlichen Druck auf direkte und indirekte Geschäftspartner zu erzeugen, um negative Auswirkungen zu ermitteln, zu mindern und zu verhindern (Erwägungsgrund 52). Die Definition von Initiativen wird dabei sehr breit gelassen und trifft beispielsweise keine klare Unterscheidung zwischen Industrie-Initiativen und Multi-Stakeholder-Initiativen.

So dürfen diese Instrumente eine unterstützende Rolle bei allen in der Richtlinie vorgesehenen Sorgfaltspflichten spielen (Artikel 7 bis 16) und zum Beispiel auch bei der Überprüfung der Einhaltung vertraglicher Zusicherungen. Explizit werden sie bei der Verhinderung potenzieller negativer Auswirkungen (Artikel 10), der Behebung tatsächlicher negativer Auswirkungen (Artikel 11), der sinnvollen Einbeziehung von Interessenträgern (Artikel 13) und bei Meldemechanismen und Beschwerdeverfahren (Artikel 14) referenziert. Es wird in der Richtlinie auch auf die Nutzung einschlägiger Risikoanalysen aus Industrie- und Multi-Stakeholder-Initiativen verwiesen sowie auf die Möglichkeit des Audit-Poolings, das heißt dem Teilen von Audit-Ergebnissen. Zusätzlich widmet sich ein eigenständiger Artikel der Frage, unter welchen Umständen diese Instrumente durch Unternehmen herangezogen dürfen (Artikel 20 Absatz 4 und 5). All diese Regelungen sind unbeschadet der Tatsache, dass Unternehmen, welche diese Instrumente zur Unterstützung bei der Umsetzung der Pflichten aus der Richtlinie nutzen, dennoch haftbar gemacht werden können (Artikel 27).

Wie unterscheidet sich die Rolle von Initiativen und Audits im Vergleich zum LkSG?

Auffällig ist, dass sich in der CSDDD mit Artikel 20 ein eigenständiger Artikel mit Initiativen und Audits befasst. Während das LkSG die im Gesetz referenzierten Brancheninitiativen und Branchenstandards nicht weiter qualifiziert hat, sieht die CSDDD vor, dass die Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten jeweils für Industrie- und Multi-Stakeholder-Initiativen (Artikel 20 Absatz 4) sowie Überprüfungen durch unabhängige Dritte (Artikel 20 Absatz 5) Leitlinien zur Festlegung von Eignungskriterien und eine Methode, mit der Unternehmen deren Eignung bewerten sollen, herausgeben. Dabei sollen die Leitlinien einen Beitrag dazu leisten, die Mängel unwirksamer Audits – welche in den letzten Jahren auch immer wieder Gegenstand zivilgesellschaftlicher Publikationen waren – zu beheben. Dies ist sicherlich zu begrüßen, gleichzeitig sollte durch die Entwicklung von derartigen Kriterien nicht der falsche Eindruck erweckt werden, dass deren Erfüllung die Wirksamkeit von Initiativen und Audits für Betroffene garantiert. Gleichzeitig ist auffällig, dass im Gegensatz zu dem Großteil der in der CSDDD vorgesehenen Leitlinien kein Zeitrahmen für die Entwicklung der in Artikel 20 erwähnten Leitlinien und Methoden gesetzt wird. Ebenso bleibt offen, wer an der Entwicklung dieser Leitlinien und Methoden beteiligt sein wird.

Insgesamt werden in der CSDDD Industrie-Initiativen, Multi-Stakeholder-Initiativen und Überprüfungen durch unabhängige Dritte deutlich mehr konkrete Funktionen zugeschrieben als noch im LkSG. Dieses nimmt explizit nur Bezug auf Abhilfemaßnahmen gegenüber unmittelbaren Zulieferern (Paragraph 7) und Präventionsmaßnahmen gegenüber mittelbaren Zulieferern bei substantiierter Kenntnis (Paragraph 9), auf Brancheninitiativen und Branchenstandards sowie vage bei Beschwerdeverfahren (Paragraph 8, Verweis auf externe Verfahren).

Mehr Hintergrund zur Rolle von Initiativen und Audits im LkSG gibt das von CorA gemeinsam mit weiteren Verbänden herausgegebene Positionspapier „Standards & Zertifizierungen – Anforderungen im Rahmen gesetzlicher Sorgfaltspflichten aus zivilgesellschaftlicher Sicht“.

Was bedeutet das für in Deutschland existierende MSI und Verifizierungssysteme?

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass Stand heute kein existierendes Zertifizierungssystem und keine Initiative alle Themen und Rechte abdeckt, die über die CSDDD geregelt sein werden. Das heißt, dass Unternehmen neben der Nutzung von Audits und Initiativen immer auch weitere Maßnahmen werden ergreifen müssen, um ihrer Sorgfaltspflicht vollumfänglich nachzukommen.

Aber auch abgesehen davon ist die in der CSDDD beschriebene Vision von Initiativen und Audits bzgl. Qualität und Funktionen weit von der derzeitigen Praxis entfernt. Beispielsweise können derzeit in Deutschland existierende Multi-Stakeholder-Initiativen – ganz zu schweigen von reinen Industrie-Initiativen – der wirksamen Einbeziehung von Interessenträgern nicht gerecht werden. Dies hat bereits 2022 eine Analyse von CorA-Mitgliedsorganisationen deutlich gezeigt. Folgerichtig hält auch die CSDDD fest, dass der Rückgriff auf Initiativen allein nicht ausreicht, um der Pflicht zur Einbeziehung nachzukommen. Allerdings bezieht sich der Gesetzestext hier nur explizit auf direkte Arbeitnehmer*innen und deren Vertretungen – es wäre sehr kritisch, wenn es in der Durchsetzung des Gesetzes als ausreichend angesehen würde, weitere betroffene Stakeholder-Gruppen wie Gemeinden entlang der Lieferkette und Arbeitnehmende in der tieferen Lieferkette ausschließlich über Industrie- oder Multi-Stakeholder-Initiativen einzubeziehen. Hier braucht es zukünftig in der praktischen Umsetzung von Artikel 13 durch Unternehmen ein umfassendes Einbeziehungssystem, das auf verschiedenen Ebenen Möglichkeiten zur Einbeziehung betroffener Stakeholdergruppen, d.h. Rechteinhabenden und deren Vertreter*innen, schafft.

Da Initiativen und Audits in der Regel prozess-orientiert sind und tatsächlich erreichte Wirkungen kaum eine Rolle spielen, ist es auch bei anderen Sorgfaltspflichten sehr zweifelhaft, ob existierende Instrumente in der Lage sind, Unternehmen in deren Umsetzung zu unterstützen. Kritisch ist zusätzlich, dass gemäß CSDDD Initiativen auch eine Überwachungsfunktion für die Erfüllung von Sorgfaltspflichten zukommen kann, indem Multi-Stakeholder-, aber auch Industrie-Initiativen Auditfunktionen übernehmen.

Positiv hervorzuheben sind die in der CSDDD vorgesehenen Kriterien für unabhängige Dritte. Diese erfordern jedoch, dass bestehende Verifizierungssysteme deutlich nachbessern in Bezug auf Unabhängigkeit, Einflussnahme und der Vorbeugung von Interessenskonflikten. Es bleibt abzuwarten, wie der deutsche Gesetzgeber diese Bestimmungen in deutsches Gesetz überführt und was es schlussendlich in der Praxis bedeutet, dass Audit-Organisationen zukünftig für die Qualität und Zuverlässigkeit ihrer Überprüfungen verantwortlich sind.

Fraglich bleibt auch, ob die Zusammenarbeit von Unternehmen im Rahmen von Industrie-Initiativen und MSI wirklich zur Erhöhung des Einflussvermögens genutzt wird, wie es die CSDDD in den Erwägungsgründen darstellt. Die Annahme, Industrie-Initiativen könnten eine solche Funktion erfüllen, hatte bereits das LkSG getätigt, spezifisch mit Blick auf die Durchsetzung von Abhilfemaßnahmen gegenüber Verursachern. Der Status Quo vieler zumindest in Deutschland tätiger MSI zeigt jedoch, dass diese bislang viel zu wenig gemeinsame Maßnahmen durchführen, die bspw. konkrete Abhilfe zum Ziel haben – und wenn, dann nur mit häufig sehr geringer Unternehmensbeteiligung. Dies ist zum Beispiel im NAP Branchendialog Automobil sehr offensichtlich, in dem sich nur 8 von 22 Unternehmen an der Umsetzung von kollektiven Projekten beteiligt haben.

Sarah Guhr, NRO-Koordinatorin Branchendialoge (Germanwatch)