Vom 25. bis 29. Oktober tagte die zwischenstaatliche Arbeitsgruppe zur Erstellung eines internationalen Abkommens zu Wirtschaft und Menschenrechten zum siebten Mal im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf. Grundlage der Tagung war der im August 2021 vom ecuadorianischen Vorsitz veröffentlichte dritte überarbeitete Abkommensentwurf. Der Entwurf unterschied sich nur geringfügig vom Entwurf von 2020. Zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter die Treaty Alliance Deutschland, Völkerrechtler*innen sowie UN-Menschenrechtsexpert*innen und Sonderberichterstatter*innen bewerteten den Entwurf als gute Verhandlungsgrundlage.
An der fünftägigen Tagung nahmen insgesamt 69 Staaten und die EU teil. Gleich zwei Entwicklungen sorgten für eine neue Dynamik gegenüber den vorherigen Tagungen: Erstmals seit Einrichtung der zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe im Jahr 2014 nahmen die USA und Japan an der Tagung teil. Die US-Vertretung äußerte zwar generelle Bedenken gegenüber dem Prozess und dem gegenwärtigen Entwurf, zeigte sich aber insgesamt offen für ein zukünftiges verbindliches Abkommen aufbauend auf den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechten.
Darüber hinaus unterschied sich der Ablauf der diesjährigen Tagung von den vergangenen Jahren: Es wurde Absatz für Absatz des vorliegenden Abkommensentwurfs durchgegangen, Änderungsvorschläge oder Zustimmungen wurden direkt festgehalten und die Zuordnung durch Nennung der Staaten in Klammern kenntlich gemacht.
Besonders engagiert brachten sich Panama, Palästina, Namibia und Ägypten in die Verhandlungen ein, während sich die EU und ihre Mitgliedstaaten kaum zu Wort meldeten – schließlich hatten sie auch für die siebte Tagung noch immer nicht das Verhandlungsmandat geklärt. In ihrem Eingangsstatement erklärte die EU-Vertretung, dass sie an das Potenzial eines verbindlichen internationalen Instruments glaube. Allerdings sei dies nur möglich, wenn das Instrument auf dem bestehenden Konsens – den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte – aufbaue und von einer „kritischen Masse“ von UN-Mitgliedsstaaten überregional unterstützt werde. Der gegenwärtige Abkommensentwurf bedürfe jedoch noch weiterer Überarbeitung. Er gehe in einigen Bereichen zu sehr ins Detail und sei zu vorschreibend. Insgesamt erkannte die EU die Notwendigkeit verbindlicher Standards an und wies auf den laufenden EU-Prozess zu einem EU-Lieferkettengesetz hin.
Nach sechs Verhandlungsrunden ergriff überraschenderweise erstmals Deutschland das Wort und bekräftigte das Statement der EU. Die deutsche Vertretung stellte das im Juni 2021 verabschiedete Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz vor und erklärte, dass verbindliche Sorgfaltspflichten entscheidend seien, um den Schutz der Menschenrechte global zu verbessern und weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Sie teile die von der EU-Vertretung geäußerten Bedenken hinsichtlich des derzeitigen „detaillierten und präskriptiven Ansatzes“ des gegenwärtigen Entwurfs „mit vagen Definitionen in einer Reihe von sensiblen Politikbereichen“. Zivilgesellschaftliche Organisationen teilen diese Einschätzung nicht. Die Festlegung von Details im Vertragstext schaffe vielmehr Rechtssicherheit und ein level playing field.
Das Ergebnis der diesjährigen Verhandlung ist ein Abkommensentwurf, aus dem die Zustimmung und Änderungsvorschläge der beteiligten Staaten deutlich werden. Eine sogenannte „Friends of the Chair“-Gruppe wird nun am gegenwärtigen Abkommensentwurf weiterarbeiten. Die Beteiligung an der Gruppe steht den Botschafter*innen der Genfer-Ländervertretungen offen und soll eine möglichst ausgeglichene regionale Verteilung widerspiegeln. Aufgabe der Friends of the Chair soll laut des Tagungsprotokolls sein, bis zur nächsten Tagung der UN-Arbeitsgruppe im Oktober 2022 über weitere Änderungsvorschläge am vorliegenden Abkommensentwurf zu beraten, mit dem Ziel, „die breitestmögliche, überregionalen Unterstützung zu gewährleisten“. Zivilgesellschaftliche Organisationen forderten in einem gemeinsamen Statement Transparenz der Gruppe. Die Ergebnisse der Verhandlungen und Veränderungen am Text sollten veröffentlicht und zivilgesellschaftliche Organisationen regelmäßig über den Fortgang der Verhandlungen informiert und konsultiert werden. Diese Forderung wurde von einigen Staaten unterstützt und in den schriftlichen Empfehlungen des Vorsitzenden zum Abschluss der Tagung festgehalten.
Ende Juli 2022 wird der Vorsitzende der UN-Arbeitsgruppe einen um diese Beratungen der „Friends of the Chair“-Gruppe aktualisierten Textentwurf vorlegen.
Karolin Seitz (Global Policy Forum)