Zum Weltwirtschaftsgipfel: Start der gemeinsamen Kampagne „Menschenrechte schützen – Konzernklagen stoppen!“

Über 150 Nichtregierungsorganisationen fordern Rückzug ausInvestitionsschutzabkommen sowie rechtliche Haftung bei Menschenrechtsverstößen durch Konzerne

(Berlin, 22.1.2019) – Anlässlich des Auftakts des Weltwirtschaftsforums in Davos starten heute über 150 Nichtregierungsorganisationen aus 23 EU-Mitgliedsstaaten eine gemeinsame Kampagne gegen Konzernklagerechte (Investor State Dispute Settlement, ISDS) und für Unternehmensverantwortung.

Zur Petition: https://www.gerechter-welthandel.org/menschenrechte-schuetzen-konzernklagen-stoppen/

Das Bündnis fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, sich aus Handels- und Investitionsabkommen zurückzuziehen, die Konzernklagerechte enthalten. Auch müssen rechtliche Möglichkeiten geschaffen werden, um Konzerne für Menschenrechtsverstöße zur Rechenschaft zu ziehen. Aus Deutschland wird die Kampagne von 13 Einzelorganisationen sowie vom Netzwerk Gerechter Welthandel und dem CorA-Netzwerk mit ihren jeweiligen Mitgliedsorganisationen unterstützt.

Die Kampagne beginnt heute mit einer Online-Petition sowie mit einer Foto-Aktion vor dem Deutschen Bundestag: Eine drei Meter hohe Waage wird symbolisieren, dass sich das Weltwirtschaftssystem im Ungleichgewicht befindet, und dass die Rechte von Konzernen schwerer wiegen als die Rechte für Menschen und Umwelt. Weitere Aktionen sind für die kommenden Monate geplant.

Lia Polotzek, Referentin für Wirtschaft, Finanzen und Handel beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): „Deutsche Konzerne sind weltweit mitverantwortlich für Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung. Viele Betroffene vor Ort sind dem vollkommen schutzlos ausgeliefert. Gleichzeitig können deutsche Unternehmen ganze Staaten vor internationalen Schiedsgerichten auf Schadensersatz verklagen, wenn sie ihre Profite durch Umweltauflagen gefährdet sehen. Das ist ein Missstand, der unbedingt beendet werden muss.“

Hanni Gramann, Mitglied im Attac-Rat: „Dass Menschenrechte weniger Gewicht haben als Rechte von Konzernen, hat kürzlich die Entscheidung des Landgerichts Dortmund zum KiK-Fall gezeigt, als es die Klage von Betroffenen eines Fabrikbrandes in Pakistan abgewiesen hat. Gerechter Welthandel geht anders. Menschenrechte müssen durchsetzbar werden und Vorrang vor Konzerninteressen haben. Deutschland und die EU müssen endlich ihren Widerstand gegen die Erarbeitung eines UN-Abkommens zur Haftung von Unternehmen (Binding Treaty) aufgeben.”

Alessa Hartmann, Handelsreferentin bei PowerShift: „Ihre Sonderrechte nutzen immer mehr Konzerne. Mittlerweile wissen wir von über 900 Konzernklagefällen, alleine 2017 kamen 72 neue dazu. Geklagt wird in allen Bereichen, die öffentliches Interesse berühren: Umweltschutz wie Wasserschutz und Luftverschmutzung, Gesundheitsvorsorge, Artenschutz und Arbeitsrechte. So fordert der schwedische Energiekonzern Vattenfall insgesamt 5,7 Milliarden Euro vom deutschen Staat als Kompensation des Atomausstiegs. Auch wenn wir noch nicht wissen, wie die Klage ausgehen wird, wirkt das de facto abschreckend auf Regierungen, die stärkere Gesetze zum Schutz der Umwelt und der Menschenrechte – die wir dringend brauchen – beschließen wollen.“

Nicola Quarz, Juristin bei Mehr Demokratie: „Investoren bekommen durch Parallelgerichte ausschließlich Rechte, aber keinerlei Pflichten. Wir brauchen keine Paralleljustiz, um Großkonzerne abzusichern. Sonderklagerechte für Konzerne gefährden die Demokratie: Drohen Schadensersatzforderungen, nehmen Gesetzgeber oft Abstand von strengeren Regelungen. So wird das Gemeinwohl Konzerninteressen geopfert. Wer eine starke Demokratie will, sollte nicht in Parallelgerichte investieren, sondern in die Rechtsstaatlichkeit.“

Zur Petition:
https://www.gerechter-welthandel.org/menschenrechte-schuetzen-konzernklagen-stoppen/

Mehr Informationen unter
https://gerechter-welthandel.org/, /

Pressekontakte:
Hanni Gramann (Attac-Rat), hanni.gramann@attac.de, Tel. 0176 3060 8762
Lia Polotzek (Referentin für Wirtschaft, Finanzen und Handel, BUND), Tel. 030 275 86 – 520
Alessa Hartmann (Referentin für Internationale Handelspolitik, PowerShift), alessa.hartmann@power-shift.de, Tel. 0177 3013 153
Nicola Quarz (Mehr Demokratie e.V.), nicola.quarz@mehr-demokratie.de, Tel. 01577 2389352

Für Rückfragen:
Anne Bundschuh (Koordinatorin des Netzwerkes Gerechter Welthandel), bundschuh@forumue.de, Tel. 030 678 1775-915

Zum Weiterlesen:

Das Netzwerk Gerechter Welthandel ist im April 2017 aus dem Zusammenschluss des zivilgesellschaftlichen Bündnisses „TTIP unfairHandelbar“ mit dem Trägerkreis der bundesweiten Großdemonstrationen „CETA & TTIP STOPPEN! Für einen gerechten Welthandel!“ entstanden. Zu den ca. 60 Mitgliedsorganisationen gehören unter anderem Attac, der BUND, Campact, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der Deutsche Kulturrat, Greenpeace, Mehr Demokratie und die Naturfreunde Deutschlands. Wir treten für eine Handels- und Investitionspolitik ein, die auf hohen ökologischen und sozialen Standards beruht und nachhaltige Entwicklung in allen Ländern fördert. Weitere Informationen unter www.gerechter-welthandel.org.

Im CorA-Netzwerk arbeiten Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften, kirchliche und entwicklungspolitische Organisationen, Verbraucher- und Umweltverbände sowie weitere Organisationen mit sozial- und gesellschaftspolitischen Zielsetzungen zusammen. Gemeinsam engagieren wir uns auf verschiedenen Feldern für eine am Gemeinwohl orientierte Unternehmensverantwortung und nutzen dabei eine Vielfalt an Instrumenten und Ansätzen. Es haben sich über 50 Organisationen im CorA-Netzwerk zusammengeschlossen. Weitere Informationen unter www.cora-netz.de.

Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte: Oberflächliches Monitoring der menschenrechtlichen Sorgfalt deutscher Unternehmen befürchtet

Das Monitoring der menschenrechtlichen Sorgfalt deutscher Unternehmen ist das Kernelement des Nationalen Aktionsplans (NAP) für Wirtschaft und Menschenrechte, den die Bundesregierung Ende 2016 verabschiedet hat. Sollten weniger als die Hälfte aller Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter*innen ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten bis 2020 umsetzen, wird die Bundesregierung laut NAP gesetzliche Maßnahmen prüfen. Im Koalitionsvertrag heißt es bestimmter, dass die Bundesregierung „auf nationaler Ebene gesetzlich tätig“ werden wird, falls sich das Prinzip der Freiwilligkeit auf Grundlage des geplanten Monitorings als unzureichend erweisen sollte.

Für das Ergebnis wird entscheidend sein, nach welchen Kriterien, in welcher Tiefe und mit welcher Repräsentativität die Unternehmen überprüft werden. Ende August hat das von der Bundesregierung beauftragte Konsortium aus Ernst & Young, Adelphi, Systain und Focus Right nun die Endfassung des Inception Reports vorgelegt, in dem sie die Methodik der geplanten Erhebungen in den Jahren 2018, 2019 und 2020 darlegt. Darin hat sie durchaus einige Kritikpunkte und Anregungen der Zivilgesellschaft zu einem früheren Entwurf aufgenommen. Dennoch bleibt zu befürchten, dass das Monitoring oberflächlich ausfallen und seine Aussagekraft hinsichtlich der Performance deutscher Unternehmen begrenzt sein wird.

Dies liegt zunächst an den Vorgaben der Bundesregierung selbst. Demnach sollen die Auswahl und Beurteilung der Unternehmen vollständig anonym erfolgen. Außenstehende hätten somit keinerlei Möglichkeit, die Qualität der Analyse zu überprüfen. Die von den NRO favorisierte Einrichtung eines auf Verschwiegenheit verpflichteten Beirats hat die Bundesregierung abgelehnt. Explizit ausgeklammert hat sie auch die Frage nach der Wirksamkeit der Maßnahmen, welche die Unternehmen zur menschenrechtlichen Sorgfalt ergreifen. Genau dies ist jedoch entscheidend: Reichen die Maßnahmen aus, um negative menschenrechtliche Auswirkungen angemessen zu untersuchen, zu vermeiden oder wiedergutzumachen? Das Monitoring soll lediglich abfragen, ob die Unternehmen selber die Wirksamkeit ihrer Maßnahmen überprüfen.

In diesem Rahmen bewegt sich auch die vom Konsortium vorgeschlagene Methodik. Diese nährt zusätzlich die Sorge von NRO, dass am Ende womöglich nur das formale Vorhandensein von Grundsatzerklärungen, Risikoprüfungen, Vorbeugemaßnahmen, Berichten und Beschwerdemechanismen überprüft wird. So soll der Fragebogen, der den untersuchten Unternehmen zugehen wird, nach bisherigem Stand vor allem Multiple-Choice-Fragen enthalten. Dieses Format jedoch lädt dazu ein, die „besten“ oder „gewünschten“ Antworten anzukreuzen. Die individuellen Risiken der Unternehmen und ihre Gegenmaßnahmen werden nicht erfasst. Eine realistische und qualitative Analyse der ergriffenen Sorgfaltsmaßnahmen wird dadurch erschwert.

Zwar will das Konsortium die Plausibilität der Antworten anhand öffentlich verfügbarer Dokumente der Unternehmen und externer Berichte überprüfen. Im Falle von „offensichtlichen Widersprüchen“ will es das Unternehmen sowie „gegebenenfalls“ die Quellen von Menschenrechtsvorwürfen zusätzlich befragen. Das Problem ist aber: Über die große Mehrzahl der rund 6.500 deutschen Unternehmen mit über 500 Mitarbeiter*innen sind aussagekräftige Berichte öffentlich nicht verfügbar. In all diesen Fällen werden Widersprüche zwischen den Aussagen der Unternehmen und der Realität unerkannt bleiben und keine weiteren Befragungen der Unternehmen, NRO oder Betroffenen vorgenommen werden. Den NRO-Vorschlag, die Unternehmen zwecks Plausibilitätsprüfung um Zusendung aussagekräftiger Dokumente zu bitten, hat das Konsortium bisher nicht aufgegriffen.

Problematisch sind auch die privilegierten Einflussmöglichkeiten, welche das Konsortium den 30 Unternehmen zugesteht, die 2018 in der ersten „explorativen Phase“ des Monitorings befragt werden. Laut Inception Report sollen diese Unternehmen gebeten werden, „aktiv Verbesserungsvorschläge zum Monitoring einzubringen“. Der NRO-Vorschlag, als Gegengewicht eine Resonanzgruppe aus acht zivilgesellschaftlichen Expert*innen einzurichten, wurde abgelehnt. Zwar führt das Konsortium nun Interviews mit bis zu acht Stakeholdern. Doch nur die Hälfte der Interviews wird mit NRO und Gewerkschaften geführt. Denn zusätzlich zu den beteiligten 30 Unternehmen sollen hier auch die Unternehmensverbände als Stakeholder befragt werden. Viele weitere wichtige Fragen bleiben im Inception Report bislang noch offen. Zwar verlangt er von den Unternehmen die Umsetzung aller Elemente menschenrechtlicher Sorgfalt. Doch steht die genaue Definition des Umsetzungsniveaus für jedes dieser Kernelemente noch aus. Dazu gehört auch die Frage, inwieweit das Mindestniveau je nach Größe, Geschäftsumfeld und Menschenrechtsrisiken variieren darf. „Dieses Mindestniveau kann im gesamten Bereich der Umsetzungsniveaus liegen (z. B. auf der Skala von 0 bis 5)“, so die beunruhigende Formulierung im Inception Report. Um diese entscheidenden Details wird in den nächsten Monaten in dem für den NAP zuständigen Interministeriellen Ausschuss (IMA) noch intensiv gerungen werden. Denn dieser behält sich vor, die vom Konsortium vorgeschlagenen Kriterien abzunehmen – und damit auch abzuändern. CorA, VENRO und das Forum Menschenrechte werden darauf drängen, dass diese Diskussion in vollständiger Transparenz geführt und die AG Wirtschaft und Menschenrechte des CSR-Forums, die die NAP-Umsetzung als offizielles Stakeholder-Gremium begleitet, in allen Fragen einbezogen wird. Diese Transparenz ist bislang leider nicht gegeben: Nicht einmal der Entwurf des Fragebogens wird mit den zivilgesellschaftlichen Expert*innen vorab geteilt. Unter diesen Voraussetzungen ist eine qualifizierte Beratung durch Zivilgesellschaft nicht möglich.

Auf die explorative Phase folgen von März bis September 2019 und Januar bis April 2020 die repräsentativen Erhebungsphasen, wo die zuvor entwickelten Kriterien auf repräsentative Stichproben von 375-400 Unternehmen angewandt werden sollen. Entscheidend ist laut NAP einzig und allein das Ergebnis der Erhebung von 2020. Nur wenn weniger als die Hälfte der Unternehmen die Erwartungen erfüllt, soll es eine gesetzliche Regelung geben. Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte hat genau diesen Ansatz in seinen „Abschließenden Beobachtungen“ zum deutschen Staatenbericht jedoch in Frage gestellt. Dieser führe nämlich zu Regulierungslücken, wenn ein großer Anteil der Unternehmen die Menschenrechtsstandards nicht anwende (s. Beitrag dazu in diesem Newsletter). In der Tat wäre es keineswegs akzeptabel, wenn nur die Hälfte der deutschen Unternehmen ihre menschenrechtliche Verantwortung in Auslandsgeschäften wahrnehmen müsste. Auch unabhängig vom Monitoring sollte die Bundesregierung die Diskussion über eine gesetzliche Regelung daher nicht länger hinauszögern.

Weitere Nachrichten aus dem Netzwerk

Positionspapier Nachhaltigkeitskapitel und Nachhaltigkeit in EU-Handelsabkommen , 6.4.2018: Ende Februar legte die EU-Kommission ihre Schlussfolgerungen zur Verbesserung der bisherigen Nachhaltigkeitskapitel in EU-Handels- und Investitionsabkommen vor. In dem Positionspapier kritisiert CorA gemeinsam mit VENRO, Forum Menschenrechte und dem Forum Umwelt und Entwicklung die Schlussfolgerungen als ungeeignet, die europäische Handelspolitik nachhaltig zu gestalten.

Bericht So geht Nachhaltigkeit!, 25.9.2018: Das CorA-Netzwerk und acht weitere zivilgesellschaftliche Verbände dokumentieren mit 17 Vorzeige-Initiativen und Projekten, in welcher Bandbreite Nachhaltigkeit bereits praktisch umgesetzt wird – auch gegen Widerstand aus Politik und Wirtschaft. Zu den vorgestellten Beispielen gehören u. a. kommunale Initiativen für faire Beschaffung und das Sorgfaltspflichten-Gesetz in Frankreich.

Staatliche Schutzpflicht für Menschenrechte. Wie ernst nimmt sie die Bundesregierung beim öffentlichen Einkauf?

Am 16.4.2018 fand die CorA-Frühjahrstagung zum Thema „Staatliche Schutzpflicht für Menschenrechte. Wie ernst nimmt sie die Bundesregierung beim öffentlichen Einkauf?“ statt, deren Verlauf und Ergebnisse in einer Dokumentation dargestellt sind. Vertreter*innen von Ministerien, Beschaffungsstellen, Bundestag und Nichtregierungsorganisationen diskutierten bei der Konferenz, wie sozial verantwortlich die Bundesbehörden bereits einkaufen und welche weiteren Maßnahmen die Bundesregierung ergreifen sollte, um den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte umzusetzen und ihre Marktmacht als Einkäuferin verantwortlich zu nutzen. Das CorA-Netzwerk stellte die Ergebnisse einer Befragung der Zentralen Beschaffungsstellen des Bundes vor. Diese zeigte einen großen Mangel an Transparenz bei einigen der Stellen. Zudem erwies sich, dass die Berücksichtigung sozialer Kriterien insgesamt noch mangelhaft in ihrer Glaubwürdigkeit und Effektivität ist, da Eigenerklärungen als Nachweis anerkannt und somit keine Anreize für eine externe Verifizierung der Kriterien gegeben werden. Lediglich einzelne Pilotprojekte gehen bisher etwas weiter.

Dabei gibt es Hinweise, dass bereits jetzt die entsprechende EU-Richtlinie eine Rechtspflicht zur sozial verantwortlichen öffentlichen Beschaffung begründet. Nach Aussage eines bei der Tagung vorgestellten Rechtsgutachtens dürfte eine richtlinienkonforme Auslegung die Träger öffentlicher Gewalt dazu verpflichten, ermessensfehlerfrei über die Einbeziehung von Sozialkriterien zu entscheiden, wenn das Risiko bestehe, dass Produkte unter Verstoß gegen die ILO-Kernarbeitsnormen produziert würden. Durch die derzeitige nur „deklaratorische“ Regelung im deutschen Recht habe die Bundesregierung diese Pflicht nicht umgesetzt. Es spreche einiges dafür, dass Unternehmen Ermessensentscheidungen der Vergabestellen vor der Vergabekammer nachprüfen lassen können. Die Bundesregierung müsse daher prüfen, ob ergänzende Maßnahmen (z. B. Verwaltungsvorschriften, Leitfäden, Kontrollstellen) erforderlich seien, um eine wirksame Umsetzung durch die öffentlichen Auftraggeber zu gewährleisten.

Bereits im Vorfeld der Konferenz hatte CorA in einem Positionspapier konkrete Anforderungen an eine sozial verantwortliche öffentliche Beschaffung aufgezeigt, die u. a. den von der Bundesregierung angekündigten Stufenplan und konkrete Zielvereinbarungen, das Wettbewerbsregister und die Vergabestatistik, die Nachweisführung sowie Aus- und Fortbildungen betreffen. Auch nach den Diskussionen bei der Tagung mit Fachleuten und Entscheidungsträger*innen blieben zahlreiche Fragen offen, wie die Bundesregierung auf diese Anforderungen reagieren wird. Das CorA-Netzwerk wird daher eine menschenrechtskonforme öffentliche Vergabe weiter einfordern.

Der „Zero Draft“ und die 4. Arbeitsgruppensitzung für ein UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten

Der Prozess zu einem „UN-Abkommen zu transnationalen Konzernen und anderen Unternehmen“ (UN-Treaty) ist in eine neue entscheidende Phase eingetreten. Ende Juli 2018 veröffentlichte der ecuadorianische Vorsitzende der UN-Arbeitsgruppe einen Abkommensentwurf („Zero Draft“). Die Treaty Alliance Deutschland (TA-Dtl) bewertet diesen Entwurf in einer Stellungnahme als gute Grundlage für die weiteren Verhandlungen. Der Entwurf verpflichtet Vertragsstaaten, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten von Unternehmen auch mit Blick auf ihre Auslandsgeschäfte in nationalen Gesetzen festzuschreiben. In der Ausgestaltung der Sorgfaltspflichten orientiert sich der Zero Draft eng an den Vorgaben der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGP). Die Treaty Alliance Deutschland begrüßt sowohl die Präzisierung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht als auch die Verknüpfung mit entsprechender Haftung. Problematisch ist allerdings die Beschränkung des Anwendungsbereichs auf transnationale Geschäfte. Zwar gibt es besonders in diesem Bereich Regelungslücken, so dass eine entsprechende Schwerpunktsetzung gerechtfertigt ist. Die Treaty Alliance Deutschland warnt jedoch davor, dass es zu einer Schlechterstellung Betroffener rein inländischer Sachverhalte kommen kann, wenn diese von dem Abkommen nicht erfasst sind. In Bezug auf die strafrechtliche Haftung von Unternehmen ist der Entwurf zurückhaltend und schreibt kein Unternehmensstrafrecht vor. Dies kommt der Bundesregierung entgegen, da Deutschland als eines von wenigen europäischen Ländern kein Unternehmensstrafrecht hat. Dass der Zero Draft die Bedeutung des Zugangs zu Abhilfe sowie auf die justizielle Zusammenarbeit und internationale Kooperation betont und konkrete Vorschläge zu deren Ausgestaltung macht, ist aus Sicht der TA-Dtl erfreulich. Dagegen ist der klare Vorrang von Menschenrechtsverpflichtungen gegenüber den Pflichten aus Investitionsschutz- und Handelsabkommen, der in den im vergangen Jahr vorgelegten Elementen für ein Abkommen noch sehr deutlich formuliert war, entfallen. Die Treaty Alliance Deutschland fordert die Wiederaufnahme einer solchen Vorrangklausel und dass das Abkommen sicherstellen muss, dass Handels- und Investitionsschutzabkommen so interpretiert werden, dass sie Menschenrechtspflichten nicht begrenzen.

Der Abkommensentwurf wurde bei der 4. Tagung der zuständigen UN-Arbeitsgruppe (OEIGWG) vom 15. bis 19. Oktober 2018 breit diskutiert. Es nahmen 94 Staaten und mehr als 300 Vertreter*innen von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Gewerkschaften, nationalen Menschenrechtsinstituten sowie einigen Unternehmensverbänden teil.

Ob die EU und ihre Mitgliedsstaaten überhaupt an der 4. Tagung teilnehmen würden, war bis zuletzt unklar, da sie ihre Forderungen hinsichtlich der Prozessgestaltung nicht berücksichtigt sahen. Sie forderten ein neues Mandat für die UN-Arbeitsgruppe, eine größere Beteiligung von Unternehmen an der Tagung, die Berücksichtigung aller Unternehmen in dem zukünftigen Abkommen statt einer Fokussierung auf die transnationalen Aktivitäten sowie eine dezidierte Sitzung zu den UNGP mit John Ruggie als Redner. Innerhalb der EU-Abstimmung war die deutsche Regierung eine derjenigen, die eine bremsende Rolle hinsichtlich einer EU-Beteiligung an der 4. Tagung einnahmen. Andere Länder, darunter Frankreich, wünschten sich hingegen eine aktivere Beteiligung der EU. Schließlich brachten sich die EU-Vertretung, Frankreich, Spanien und Belgien ausschließlich am ersten und letzten Tag der 4. Tagung mit mündlichen Stellungnahmen ein. An den inhaltlichen Debatten zu dem Abkommensentwurf beteiligten sich die EU und ihre Mitgliedsstaaten hingegen nicht. Die Bundesregierung beobachtete den Prozess vor Ort lediglich und veröffentlichte bislang auch keine eigene Kommentierung des Abkommensentwurfs. Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat hingegen eine Kommentierung erstellt und in einer mündlichen Stellungnahme während der 4. Tagung im Auftrag des europäischen Netzwerks der nationalen Menschenrechtsinstitute deutlich gemacht, dass sie den Prozess für ein UN-Abkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten unterstützen.

Die Tagung endete mit der Annahme des Tagungsberichts durch die anwesenden Staaten. In den Schlussfolgerungen begrüßen die Staaten die Weiterführung des Prozesses. Bis zur fünften Tagung der UN-Arbeitsgruppe in 2019 sollen informelle Konsultationen geführt und ein überarbeiteter Abkommensentwurf und ein Arbeitsprogramm präsentiert werden. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten distanzierten sich jedoch von diesen Schlussfolgerungen und erkennen sie für sich nicht als bindend an.

Update aus der Schweiz: Rückenwind für ein Gesetz zu Konzernverantwortung

Nach Frankreich könnte die Schweiz bald das zweite Land sein, das ein Gesetz verabschiedet, welches großen Unternehmen Sorgfaltsprüfungen im Bereich der Menschenrechte und Umwelt vorschreibt und diese mit einem Haftungsmechanismus durchsetzen will. Am 14. Juni 2018 nahm der Schweizer Nationalrat einen Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative (KoVI) mit bemerkenswerten 121 zu 73 Stimmen an. Als nächstes wird der Gegenvorschlag im Ständerat beraten.

Der Gegenvorschlag, der von der Rechtskommission des Nationalrats erarbeitet worden ist, stellt einen Kompromiss zwischen dem Initiativtext der Initiant*innen der KoVi und Kräften aus dem Parlament und der Wirtschaft dar. Der Initiativtext hat schmerzhafte inhaltliche Abstriche erfahren, so gilt er insbesondere für weniger Unternehmen und die Haftung wurde eingeschränkt. Dennoch würden die Initiant*innen die Volksinitiative zurückziehen, wenn der Gegenvorschlag ohne essentielle Abschwächungen durch das weitere parlamentarische Verfahren kommt. Denn dann könnten gesetzliche Maßnahmen bereits Anfang 2020 und damit schnell in Kraft treten. Dies ist gerade für die Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen wichtig. Der Weg über die Volksabstimmung würde einige Jahre länger dauern.

Und es sprechen zahlreiche Gründe für einen Erfolg:

  • Wohl noch nie hat ein Menschenrechtsanliegen im Nationalrat so breite Zustimmung erhalten. Die Linke und die Mitte stimmten ohne Gegenstimme dafür und auch die Mehrheit der FDP votierte für den Gegenvorschlag.
  • Der Entwurf des Gegenvorschlags kam von Vertreter*innen verschiedener Fraktionen. Maßgeblich mitgewirkt hat ein renommierter Professor für Wirtschaftsrecht, der für die nationalkonservative SVP-Fraktion im Nationalrat sitzt. Der Vorschlag ist somit politisch breit abgestützt und rechtlich fundiert.
  • Der Gegenvorschlag findet auch in der Wirtschaft immer breitere Unterstützung. Neben dem Unternehmensverband Groupement des Entreprises Multinationales GEM mit 90 Mitgliedsunternehmen und dem Verband für nachhaltiges Wirtschaften öBu mit 350 Mitgliedsunternehmen unterstützen jetzt auch Einzelunternehmen wie Migros und Ikea den Gegenvorschlag.
  • Unternehmer*innen, Rechtsprofessor*innen und Persönlichkeiten aus dem bürgerlichen Lager unterstützen den Vorschlag öffentlich und haben Anfang 2018 ein Komitee „Ja zur Konzernverantwortung mit Gegenvorschlag“ gegründet.

Mehr Hintergründe gibt es unter https://konzern-initiative.ch.

Die OECD-Due Diligence Guidance for Responsible Business Conduct

Seit sich die Sorgfaltspflicht der Unternehmen (due diligence) – insbesondere mit der Annahme der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte – als das maßgebliche Konzept von unternehmerischer Verantwortung entwickelt hat, besteht eine Herausforderung darin, dass es noch viele Unklarheiten gibt, was diese Sorgfaltspflicht wirklich bedeutet. Deshalb kommt einem am 31. Mai 2018 verabschiedeten sektorübergreifenden Leitfaden der OECD zu den Sorgfaltspflichten, der General Due Diligence Guidance, große Bedeutung zu. Dieses Kompromissdokument klärt kritische Fragen rund um die Sorgfaltspflichten der Unternehmen und räumt mit einigen Missverständnissen auf. Da der OECD-Ministerrat die Guidance verabschiedet hat, besitzt dieser Leitfaden die stärkste Zustimmung, die auf OECD-Ebene möglich ist, und damit eine hohe internationale Autorität. Der Ministerrat verpflichtet die OECD-Mitgliedsstaaten, den Leitfaden zu verbreiten, zu unterstützen und seine Anwendung zu überwachen. Für die kommenden Jahre wird die Guidance vermutlich das wichtigste Referenzdokument zur Konkretisierung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten sein.

Der Leitfaden legt u. a. fest, dass die Verhinderung negativer Auswirkungen oberste Priorität vor der Reduzierung und Wiedergutmachung von Schäden hat. Die Sorgfaltsverfahren müssen den Risiken angemessen und genügend Ressourcen dafür bereitgestellt werden; auch wenn die wichtigsten Risiken prioritär behandelt werden, müssen die anderen Risiken ebenfalls angegangen werden. Die Guidance betont ferner, dass die Beteiligung der Stakeholder ein zentrales Element der Due Diligence ist, die Rechteinhaber*innen bei Konsultationen im Zentrum stehen müssen und hierfür Transparenz und eine Gender-Perspektive essentiell sind. Die Guidance stellt klar, dass die Sorgfaltspflicht für alle Unternehmen unabhängig von ihrer Größe und Stellung in der Wertschöpfungskette gilt und ihre Vernachlässigung dazu führen kann, dass die Verantwortung von Unternehmen für die Auswirkungen steigt, sie also z. B. nicht mehr nur mit einer Menschenrechtsverletzung verbunden sind, sondern als „Beitragende“ bewertet werden, wenn sie es versäumen, die Risiken anzugehen. Dies betrifft z. B. Finanzinstitutionen, wenn sie sich um die Auswirkungen der von ihnen finanzierten Projekte nicht kümmern. Wiedergutmachung muss gemäß dem Leitfaden rechtebasiert sein; die Guidance äußert zudem die Erwartung, dass Unternehmen auch dann zur Wiedergutmachung beitragen sollten, wenn sie mit den negativen Auswirkungen nur verbunden und nicht selbst ursächlich sind. Als ein zentrales Element der Sorgfaltspflicht beschreibt die Guidance, die Partner bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortung zu unterstützen; aber in manchen Fällen bleibe nur der Ausstieg aus einem Geschäft. Zu guter Letzt wirft die Guidance auch ein neues Licht auf Korruption und Bestechung: diese sei nicht nur eine strafrechtliche Frage für Unternehmensangehörige, sondern könne auch zu negativen Auswirkungen für Arbeiter*innen, Gemeinden und die Umwelt führen.

Das internationale NGO-Netzwerk OECD Watch hat gemeinsam mit Amnesty International in einem Leitfaden 14 wichtige Prinzipien und Konzepte identifiziert, die zivilgesellschaftliche Organisationen nutzen sollten. Sie empfehlen jedoch auch die Lektüre des gesamten Leitfadens, da das Original-dokument vielfach starke Formulierungen aufweist.

Berliner CSR-Konsens

Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen haben sich im CSR-Forum der Bundesregierung Ende Juni nach dreijährigen Beratungen auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner zur Unternehmensverantwortung in globalen Wertschöpfungsketten verständigt. Der Berliner CSR-Konsens ist ein Orientierungspapier für Unternehmen, wie sie ihre unternehmerische Sorgfalt angemessen ausüben können. Unternehmen sollen sich öffentlich zu den Menschenrechten und weiteren Grundsätzen bekennen, Risiken analysieren und entsprechende Gegenmaßnahmen entwickeln, deren Wirksamkeit kontrollieren, darüber berichten und Beschwerdemöglichkeiten für Betroffene schaffen.

Bedauerlicherweise beschreibt der CSR-Konsens die Sorgfaltspflichten teilweise lückenhaft und mit zu weichen Formulierungen, insbesondere die Berichterstattung und die Beschwerdemechanismen. So hatte die Zivilgesellschaft entsprechend der UN-Leitprinzipien gefordert, dass die Unternehmensberichte Außenstehenden ermöglichen sollten, die Risiken und die Angemessenheit der ergriffenen Gegenmaßnahmen zu bewerten. Dies findet sich im CSR-Konsens allerdings nicht wieder. Auch bei den Beschwerdemechanismen gab es in Entwürfen des CSR-Konsenses weitergehende Anforderungen. Diese sind im abschließenden Papier nicht enthalten. Damit kann der CSR-Konsens nur als erste Orientierung dienen und die UN-Leitprinzipien als Referenzdokument nicht ersetzen.

Gesetzliche menschenrechtliche Sorgfaltspflichten und Sanktionen bei Nichteinhaltung der Sorgfaltspflicht enthält der CSR-Konsens nicht. Auch die Rolle der Bundesregierung, für eine Einhaltung der Sorgfaltspflicht zu sorgen, ist nur ungenügend beschrieben. Das CorA-Netzwerk – das dem CSR-Forum nicht angehört – hält diesen CSR-Konsens deshalb für unzureichend. Zwar ist zu begrüßen, dass die deutschen Unternehmensverbände erstmalig branchenübergreifend die Notwendigkeit von Sorgfaltsprüfungen anerkennen und dabei auch Wiedergutmachung einschließen. Wenn dies aber nicht mit verbindlichen Haftungsregeln kombiniert wird, reicht dies angesichts der oft rücksichtslosen Geschäftspraktiken global agierender Konzerne nicht aus. Deshalb setzt sich das CorA-Netzwerk weiterhin für gesetzliche menschenrechtliche Sorgfaltspflichten und eine Haftung bei Verletzung dieser Pflichten ein.

UN-Ausschuss rügt Deutschland: Menschenrechtsstandards für Unternehmen zu unverbindlich

Mitte Oktober hat der Sozialausschuss der Vereinten Nationen (UN) seinen Abschlussbericht über die Einhaltung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte durch die Bundesrepublik Deutschland veröffentlicht. Der Ausschuss kritisiert darin die „ausschließlich freiwillige Natur der menschenrechtlichen Sorgfalt“, wie sie im Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte beschrieben wird. Deutschland solle gesetzlich sicherstellen, dass Unternehmen die Menschenrechte in Auslandsgeschäften achten und für Verstöße haftbar gemacht werden können. Zudem mahnt der Ausschuss Verbesserungen beim Rechtszugang ausländischer Betroffener an, darunter Mechanismen für Kollektivklagen und die Einführung eines Unternehmensstrafrechts. Auch in der Agrar-, Handels-, Investitions-, Klima- und Finanzpolitik monierte der Ausschuss die mangelnde Berücksichtigung der Menschenrechte durch die Bundesregierung.

Gemeinsam mit dem Forum Menschenrechte und Einzelorganisationen hatte das CorA-Netzwerk im August einen eigenen Parallelbericht („Schattenbericht“) an den UN-Sozialausschuss geschickt. In seinem Abschlussbericht griff der Ausschuss zentrale Punkte aus dem NRO-Bericht auf und sprach oben genannte sowie weitere Empfehlungen an die Bundesregierung aus. In einer Pressemitteilung begrüßen die NRO den Abschlussbericht und fordern von der Bundesregierung entsprechende Konsequenzen. Insbesondere dürfe die Bundesregierung gesetzliche Vorgaben an die Unternehmen nicht länger verzögern.

Alle fünf Jahre überprüft der Sozialausschuss der Vereinten Nationen (UN), ob die Unterzeichnerstaaten des UN-Sozialpaktes die im Pakt geschützten Rechte umsetzen. Dafür muss der Unterzeichnerstaat einen Staatenbericht einreichen. Nichtregierungsorganisationen können dem Sozialausschuss zusätzliche Informationen bereitstellen. Den Staatenbericht sowie alle weiteren von zivilgesellschaftlichen Organisationen in diesem Berichtsverfahren bereitgestellten Informationen auf Englisch finden sich auf der Website des UN-Sozialausschusses. Grundlegende Informationen auf Deutsch zum Ablauf des Verfahrens finden sich auf der Website des Deutschen Instituts für Menschenrechte.

UN-Ausschuss rügt Deutschland: Menschenrechtsstandards für Unternehmen zu unverbindlich

(Berlin, 18. Oktober 2018.) Diese Woche hat der Sozialausschuss der Vereinten Nationen (UN) seinen Abschlussbericht über die Einhaltung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte durch die Bundesrepublik Deutschland veröffentlicht. Der Ausschuss kritisiert darin die „ausschließlich freiwillige Natur der menschenrechtlichen Sorgfalt“, wie sie im Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte beschrieben wird. Deutschland solle gesetzlich sicherstellen, dass Unternehmen die Menschenrechte in Auslandsgeschäften achten und für Verstöße haftbar gemacht werden können. Auch in der Agrar-, Handels-, Investitions-, Klima- und Finanzpolitik monierte der Ausschuss die mangelnde Berücksichtigung der Menschenrechte durch die Bundesregierung.

Die Nichtregierungsorganisationen Brot für die Welt, FIAN, Germanwatch, MISEREOR, Urgewald, Terre des Hommes, Forum Menschenrechte und das CorA-Netzwerk für Unternehmensverantwortung, die im August einen eigenen „Schattenbericht“ zum Thema vorgelegt hatten, begrüßen die UN-Empfehlungen und erwarten jetzt Konsequenzen: „Der Sozialausschuss hat klargestellt, das freiwillige Initiativen zum Schutz der Menschenrechte nicht ausreichen. Die Bundesregierung darf gesetzliche Vorgaben an die Unternehmen nicht länger verzögern“, fordert Maren Leifker, Referentin für Menschenrechte von Brot für die Welt. „Ein Unternehmen muss auch für Schäden haften, die durch ausländische Tochterunternehmen oder Geschäftspartner verursacht werden, wenn die Verstöße erkennbar und vermeidbar waren.“

Laut Koalitionsvertrag will die Bundesregierung nur dann gesetzlich tätig werden, wenn weniger als die Hälfte der deutschen Unternehmen bis 2020 Prozesse zur menschenrechtlichen Sorgfalt umsetzen. Der Sozialausschuss bemängelte, dass dies zu Regulierungslücken führt, wenn ein großer Anteil der Unternehmen die Menschenrechtsstandards nicht anwendet. „Maßgebend ist nicht, ob eine Mehrheit oder eine Minderheit der Unternehmen die Menschenrechte missachtet. Nach dieser Logik brauchten wir auch keine Gesetze gegen Diebstahl“, erklärt Armin Paasch, Referent für Wirtschaft und Menschenrechte von MISEREOR. „Selbst, wenn die Menschenrechtsverstöße deutscher Unternehmen nur wenige Menschen beträfen, müsste Deutschland ihr Recht auf Entschädigung und Wiedergutmachung gewährleisten.“

Die Nichtregierungsorganisationen kritisieren, dass die Bundesregierung und die EU sich auch auf internationaler Ebene gegen verbindliche Menschenrechtsvorgaben wehren. „Bei der laufenden Verhandlungsrunde zu einem Völkerrechtsabkommen zu Wirtschaft und Menschenrechten, dem sogenannten UN Treaty, rechtfertigte die EU am Montag ihre Vorbehalte auch damit, dass viele ihrer Mitgliedsstaaten bereits Nationale Aktionspläne zu Wirtschaft und Menschenrechten verabschiedet haben“, so Philipp Mimkes, Geschäftsführer von FIAN Deutschland. „Freiwillige Instrumente sind jedoch unzureichend. Die Prüfung des UN-Sozialausschusses zeigt einmal mehr, dass auch der angeblich so ambitionierte deutsche Aktionsplan hinter den menschenrechtlichen Anforderungen zurückbleibt.“

-Die Schlussfolgerungen des UN-Sozialausschusses zu Deutschland finden Sie unter: https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/treatybodyexternal/Download.aspx?symbolno=E%2fC.12%2fDEU%2fCO%2f6&Lang=en

-Einen zuvor eingereichten Schattenbericht des Forums Menschenrechte mit Beiträgen der oben genannten Nichtregierungsorganisationen finden Sie unter: https://www.forum-menschenrechte.de/2201-2/

Die Pressemitteilung wird von Brot für die Welt, FIAN, Germanwatch, MISEROER, Urgewald, Terre des Hommes und dem CorA-Netzwerk für Unternehmensverantwortung verschickt. Wir bitten Doppelsendungen zu entschuldigen.

Pressekontakte:

MISEREOR: Ralph Allgaier, Tel.: 0241/442-529, Mobil: 0160 90 555 853, ralph.allgaier@misereor.de;

FIAN: Philipp Mimkes, Tel. 0221/47449120, P.Mimkes@Fian.de

Brot für die Welt: Thomas Beckmann, Telefon: 030/65211-1443, Mobil: 0174-1810175, thomas.beckmann@brot-fuer-die-welt.de