Heike Dril­lisch, Ko­or­di­na­to­rin des Co­rA-Netz­werks für Un­ter­neh­mens­ver­ant­wor­tung, kom­men­tiert den Om­ni­bus-Vor­schlag der EU-Kom­mis­si­on wie folgt:

„Der am 26.2.2025 von der EU-Kom­mis­si­on vor­ge­stell­te Om­ni­bus-Vor­schlag ist fatal für den Über­gang zu einer nach­hal­ti­gen und men­schen­rechts­ba­sier­ten Wirt­schaft. Er höhlt die Lie­fer­ket­ten­richt­li­nie (CSDDD) bis zur Un­kennt­lich­keit aus und macht sie zu einem zahn­lo­sen Pa­pier­ti­ger. Damit soll ein Gesetz in kür­zes­ter Zeit und in einem äußerst in­trans­pa­ren­ten Ver­fah­ren zu Fall ge­bracht werden, das vor noch nicht einmal einem Jahr de­mo­kra­tisch be­schlos­sen wurde. Auf der Strecke bleiben dabei Ar­bei­ter*innen auf Plan­ta­gen und in Fa­bri­ken ebenso wie An­woh­ner*innen von Berg­bau­pro­jek­ten, die Umwelt und das Klima. Dabei zeigt die Er­fah­rung in Deutsch­land, dass eine ge­setz­li­che Re­ge­lung die Si­tua­ti­on von Men­schen in den glo­ba­len Lie­fer­ket­ten wirk­lich ver­bes­sern kann.

Geht es nach der Kom­mis­si­on, sollen Un­ter­neh­men nicht mehr für Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen und Um­welt­schä­den haften, zu denen sie bei­ge­tra­gen haben. Be­trof­fe­nen würde damit die Mög­lich­keit ge­nom­men, vor Ge­rich­ten in Europa Wie­der­gut­ma­chung und Scha­den­er­satz ein­zu­kla­gen. Kli­ma­p­lä­ne müssten nicht mehr um­ge­setzt werden und der Plan, die Ver­ant­wor­tung von Fi­nanz­in­sti­tu­tio­nen zu regeln, soll auf­ge­ge­ben werden. Völlig un­ver­ständ­lich ist, dass der Schwer­punkt der Sorg­falts­pflich­ten auf direkte Zu­lie­fe­rer ver­scho­ben werden soll statt auf die Wirt­schafts­be­zie­hun­gen, bei denen die größten Risiken be­ste­hen. Damit über­nimmt die EU-Kom­mis­si­on eine Schwä­che des deut­schen Lie­fer­ket­ten­ge­set­zes und schafft neuen bü­ro­kra­ti­schen Aufwand, den sie doch an­geb­lich re­du­zie­ren will.

Denn die Dä­mo­ni­sie­rung des deut­schen Lie­fer­ket­ten­ge­set­zes als Bü­ro­kra­tie­mons­ter fußt vor allem auf den Be­richts­pflich­ten und darauf, dass die vom Gesetz ver­pflich­te­ten Groß­un­ter­neh­men gieß­kan­nen­mä­ßig um­fang­rei­che, aber un­spe­zi­fi­sche Fra­ge­bö­gen an ihre sämt­li­chen di­rek­ten Zu­lie­fe­rer schi­cken, egal, ob bei ihnen Risiken wahr­schein­lich sind oder nicht. Diese Fra­ge­bö­gen müssen dann von den Groß­un­ter­neh­men aus­ge­wer­tet werden, was ent­spre­chen­den Aufwand er­for­dert, und die Zu­lie­fe­rer müssen Berge von Pa­pier­kram er­le­di­gen, weil sie von vielen Ge­schäfts­part­nern jeweils un­ter­schied­li­che Fra­ge­bö­gen kriegen. Beides führt nicht dazu, dass damit den wirk­li­chen Risiken be­geg­net wird. Da die CSDDD den Fokus darauf legt, wo die schwer­wie­gends­ten Risiken sind, würde die über­bor­den­de Fra­ge­bo­gen­flut an direkte Zu­lie­fe­rer ab­ge­schafft oder zu­min­dest re­du­ziert; Un­ter­neh­men wären ge­for­dert, gezielt In­for­ma­tio­nen zu erheben, also z. B. zu den Ar­beits­be­din­gun­gen beim Tex­til­prdu­zen­ten in Ban­gla­desh statt zu Ab­luft­sys­te­men beim Würst­chen­lie­fe­ran­ten um die Ecke. Der Om­ni­bus-Vor­schlag der Kom­mis­si­on sieht nun die Än­de­rung der CSDDD da­hin­ge­hend vor, das deut­sche System „direkte Zu­lie­fe­rer und tiefere Lie­fer­ket­te nur bei sub­stan­ti­ier­ten Hin­wei­sen“ zu über­neh­men. Dadurch wird mehr Bü­ro­kra­tie ge­schaf­fen als re­du­ziert und die Kom­mis­si­on kon­ter­ka­riert selbst ihr vor­geb­li­ches Ziel der Ent­bü­ro­kra­ti­sie­rung.

Zudem ist der Entwurf in einem in­ak­zep­ta­blen Ver­fah­ren zu­stan­de ge­kom­men: Just nachdem sich die Mehr­heits­ver­hält­nis­se im Eu­ro­pa­par­la­ment än­der­ten, wurde der Om­ni­bus-Vor­schlag von der Kom­mis­si­on hinter ver­schlos­se­nen Türen im Schnell­durch­lauf ent­wi­ckelt. Schon jetzt ist klar, dass die Ver­wäs­se­rung nur mit Un­ter­stüt­zung rechts­ex­tre­mer Frak­tio­nen im Eu­ro­päi­schen Par­la­ment um­zu­set­zen sein wird. Nicht zuletzt deshalb spre­chen sich auch über 100 Pro­mi­nen­te aus Politik, Wis­sen­schaft, Kirche und Wirt­schaft in einem ge­mein­sa­men Appell für den Erhalt der EU-Lie­fer­ket­ten­richt­li­nie aus.“