Vergabegesetz, Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte und die öffentliche Beschaffung des Bundes
Gemäß den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte gehört es zur Schutzpflicht des Staates, bei der öffentlichen Auftragsvergabe die Achtung der Menschenrechte sicherzustellen. Die Bundesregierung hat bei der Umsetzung der EU-Vergaberichtlinie von 2014 in nationales Recht die Chance, verbindliche Mindestkriterien einzuführen, jedoch nicht genutzt. Zahlreiche Möglichkeiten für die „Öffentliche Beschaffung mit der neuen EU-Vergaberichtlinie 2014/24/EU“ blieben ungenutzt. Im reformierten Vergaberecht finden sich lediglich Kann-Bestimmungen (z. B. im GWB § 128). So bleibt es den einzelnen Beschaffer*innen überlassen, ob sie menschenrechtliche Kriterien in die Ausschreibung aufnehmen. Solange aber die Beschaffungsstellen – von der Kommune bis zum Bund – nicht konsequent die Einhaltung von Menschenrechten fordern, wird es weiter zu Menschenrechtsverletzungen in den jeweiligen Lieferketten kommen.
Im 2016 verabschiedeten Nationalen Aktionsplan (NAP) zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte bekräftigte die Bundesregierung jedoch, dass Bund, Länder und Kommunen bei der öffentlichen Beschaffung besonders zum Schutz der Menschenrechte verpflichtet sind. Sie kündigte an, zu prüfen, inwiefern bei einer zukünftigen Überarbeitung verbindliche Mindestanforderungen im Bereich Menschenrechte im Vergaberecht festgeschrieben werden können. Dazu wollte sie einen Stufenplan erarbeiten, wie dieses Ziel erreicht werden kann.
Diesen Stufenplan hat die Bundesregierung nicht vorgelegt, jedoch die öffentliche Beschaffung in das 2021 verabschiedete Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz aufgenommen. Das Gesetz sieht vor, dass Unternehmen, gegen die aufgrund der Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten Bußgelder ab einer bestimmten Höhe verhängt wurden, von öffentlichen Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Beschaffer*innen sollen im Wettbewerbsregister prüfen, ob gegen Bieter ein entsprechendes Bußgeld verhängt wurde. Damit wird erstmals eine bundesweite verbindliche menschenrechtliche Anforderung im öffentlichen Einkauf eingeführt. Allerdings sollen die Unternehmen erst ab einem sehr hohen Bußgeld von öffentlichen Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Zudem ist der Anwendungsbereich des Gesetzes auf sehr große Unternehmen beschränkt. Damit sind viele kleinere Unternehmen nicht erfasst, die in Hochrisiko-Branchen operieren und die öffentliche Hand beliefern.
Einem Positionspapier von CorA und der Christlichen Initiative Romero (CIR) zufolge reichen die Regelungen zur öffentlichen Beschaffung im Rahmen des Lieferkettengesetzes nicht aus, damit öffentliche Auftraggeber ihrer Schutzpflicht zur Einhaltung von Menschenrechten gerecht werden. Auch ist mit dem Gesetz der im NAP enthaltene Prüfauftrag der Bundesregierung noch nicht ausgeführt.
Zudem kritisiert CorA gemeinsam mit elf weiteren Organisationen, dass die Bundesregierung ihr im Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit verankertes Ziel, bis 2020 die Hälfte der von Bundesbehörden eingekauften Textilien nachhaltig zu beschaffen, nicht erreicht und den dafür in Aussicht gestellten Stufenplan immer noch nicht veröffentlicht hat. Insgesamt kommt die Bundesregierung ihrer Vorbildfunktion bisher kaum nach: Die Zentralen Beschaffungsstellen des Bundes berücksichtigen ökologische und menschenrechtliche Kriterien lediglich sporadisch, wie die Dokumentation der CorA-Frühjahrstagung 2018 zeigt.
Dringend notwendige Maßnahmen, um die öffentliche Beschaffung mit menschenrechtlichen und umweltbezogenen Kriterien in Einklang zu bringen, hat das CorA-Netzwerk gemeinsam mit Partnerorganisationen in einem Positionspapier von 2018 und dem NAP-Schattenbericht von 2021 beschrieben: